Wir haben gewählt – das ist Demokratie, ob uns das Ergebnis gefällt oder nicht.

Es war spannend am Sonntagabend die Ergebnisse der Bundestagswahl zu verfolgen. Erfreulich, gegen Mutmaßungen, hat die Wahlbeteilung zugenommen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Wahlberechtigten sich ihrer Verantwortung bewusst waren und sind. Die Meinung, dass die Menschen bei uns desinteressiert und unpolitisch seinen, stimmt wohl so nicht. Die beiden großen bisherigen Regierungsparteien haben beide erheblich an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Die kleineren Parteien konnten ihre Prozentpunkte halten und zwei Parteien sind neu in den Bundestag eingezogen. Das kann man nur begrüßen! Endlich sind alle Kräfte und Meinungen im Land auch repräsentativ im Bundestag vertreten.

Es wäre zu begrüßen, dass sich auch Christen zu dieser Vielfalt an Meinungen und Überzeugungen positiv äußern. Bislang konnte man den Eindruck haben, dass das kirchliche Meinungsspektrum in den Gremien des deutschen Protestantismus sich recht einseitig dargestellt hatte. Der Berliner Politikwissenschaftler Klaus Schroeder äußerte sich dahingehend, dass die EKD „eindeutig dem linken Spektrum zuzuordnen“ sein.

Im August veröffentlichte die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung ein 32 seitiges Impulspapier, das sich durchaus kritisch mit einseitigen politischen Tendenzen auseinandersetzte. Demokratie wird in dem Text als „Lebensform der Vielfalt“ de­finiert, in der Konflikte der Normalfall seien – ein eindeutiges Plädoyer für eine Streitkultur, die auch den Disput mit „Populisten“ nicht scheut. „Konsens und Konflikt:  Politik braucht Auseinandersetzung, Zehn Impulse der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD“. In der FAZ konnte man dazu lesen, daß das Unbehagen über manche politsch einseitige Äußerungen leitender Kirchenvertreter gegenüber konservativen Theologen auch im EKD-Rat geteilt wird. Die Kirche müsse bereit sein, sich mit anderen Meinungen in ihren Reihen auseinan­derzusetzen, so etwa bei der Diskussi­on über die sogenannte „Ehe für alle“ oder die Abtreibung.

Der Kammervorsitzende der Münchner Theologieprofessor Reiner Anselm bekräftigte den nicht von allen Kirchenvertretern anerkann­ten Grundsatz, dass Christen in politi­schen Angelegenheiten unterschiedlicher Meinung sein können. Anselm setzte sich auch dafür ein, mit der AfD einen Dialog zu führen. Er gab auch zu, dass er Probleme mit manchen politischen Verlautbarungen seiner Kirche habe. Hinter diesen Einlassungen vermutet Anselm immer noch Überzeugungen, die eher zu einer christlichen Aristokra­tie denn zu einer Demokratie passten.  Die Kammer verlangt von den Kirchenleitungen eine selbstkritische Reflexion darüber, ob nicht manche in politischen Debatten vertretene Über­zeugung als eine Stigmatisierung anderer Positionen verstanden werden könne.

So deutlich hat sich schon lange kein Vertreter des deutschen Protestantismus zu Wort gemeldet. In der Vergangenheit ist es mehr­mals vorgekommen, dass prominente Repräsentanten der EKD gegenüber Positionen, die sie als „populistisch“ bewerteten, mit einer Gesprächsverweigerungs-Attitüde auftraten.

Vom Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD in Göttingen, Pro­fessor Hans Michael Heinig, kam noch eine andere Mahnung: Christsein heiße, andere Meinungen in Demut zu ertra­gen. In idea-spektrum schrieb Heinig: „Die große Herausforderung, aber auch Chance der Kirche besteht darin, sich nicht in isolierten Echokammern zu se­parieren – eine Herausforderung, der sich politische Aktivisten des Links­protestantismus ebenso zu stellen ha­ben wie die Anhänger eines kulturpro­testantischen Weihnachtschristentums oder die Vertreter des evangelikalen Milieus.“ Und schließlich: Der Zweck kirchlicher Gemeinschaft sei es nicht, seine Meinung zu verbreiten, sondern in Gemeinschaft den Glauben zu leben. „Die Kirche ist kein politischer Club. Die individuelle Aneignung des Glau­bens ist ein höchstpersönlicher Prozeß.“ Auch das hat man in solcher Klarheit lange nicht gehört, auch nicht im Jahr des Reformationsjubiläums.

(foto merkur.de text fm nach gf in der jf vom 8.9.17)

Konsens und Konflikt:  Politik braucht  Auseinandersetzung
Zehn Impulse der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD
zu aktuellen Herausforderungen der Demokratie in Deutschland
https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/20170814_konsens_und_konflikt.pdf

 

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