Dekan Dr. Matthias Büttner

„Schlangen in der Wüste“ | Predigt zu Reminiscere in St. Gumbertus (Ansbach)

„Schlangen in der Wüste“
Predigt zu Num 21,4-9
Reminiscere, Musikalischer Abendgottesdienst, 24. Februar 2024
St. Gumbertus, Ansbach

Liebe Gemeinde!

Nobody Knows the Trouble I’ve Seen („Niemand kennt das Leid, das ich gesehen hab’“). Eines der bekannteste Gospel. Und wie in jedem Gospel-Song geht es um menschliche Not – aber auch darum, wie Gott uns darin hilft.

Menschliche Not und wie Gott uns hilft. Dazu hören wir eine Geschichte aus dem 4. Buch Mose. Das Volk Israel befindet sich nach der Flucht aus Ägypten auf seinem Weg durch die Wüste. Es ist ein schwieriger Weg, aber er ist nun einmal notwendig. Denn zwischen Ägypten, dem Land der Sklaverei, aus dem die Israeliten geflohen sind, und dem Land, das ihnen Gott versprochen hat, liegt die Wüste. Und durch die müssen sie hindurch.

Eine Wüstenwanderung ist natürlich kein Zuckerschlecken. Und das Catering, das Gott den Israeliten zukommen lässt, ist wahrlich kein Luxus. Das ist schon ein Grund zum Murren. Aber die Israeliten übertreiben mit ihrer Klage. Sie verlieren alle Verhältnismäßigkeit. Wörtlich übersetzt sagen sie: unsere Seele ekelt sich vor dieser ärmlichen Speise.

Das ist selbst Gott zu viel. Hören wir, wie ihm der Geduldsfaden reißt, aber dieser dann doch wieder zusammengebunden wird: 4Da brachen sie [die Israeliten] auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise. 6Da sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. 7Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und wider dich geredet haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. 8Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. 9Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Das Besondere an dieser Begebenheit ist, dass Gott die feurigen Schlangen schickt, aber dann auch das Mittel dazugibt, wie man dem Biss der Schlangen entkommen kann. Gott schickt die Schlangen, aber er bewahrt auch vor ihnen.

Aber kommen die feurigen Schlangen wirklich von Gott? Das hebräische Wort, das hier steht, lässt sich am besten mit Loslassen übersetzen. Die feurigen Schlangen sind also da – auch ohne Gottes Zutun. Gott lässt die Schlangen nur gewähren.

Die feurigen Schlangen selbst sind die völlig übertriebenen Klagen der Israeliten. Anstatt sich zusammenzutun und gemeinsam die schwierige Situation zu meistern, lästern die Israeliten gegen Gott und gegen Mose. Wörtlich übersetzt: sie wenden sich ab, sie schauen nur noch auf das Eigene.

Und das schlimmste: sie übertreiben: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Und so kriecht das Gift der Selbstbemitleidung wie feurige Schlangen unter das Volk.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht heute in sein unglaubliches drittes Jahr. Und ich fürchte, wir alle haben immer noch nicht verstanden, was das bedeutet. Ich selbst muss zugeben, dass ich mir nach dem Ende des sogenannten Kalten Krieges alles vorstellen konnte, nur nicht einen echten, heißen Krieg mitten in Europa. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein zivilisiertes Land im 21. Jahrhundert noch einmal den Irrweg des Imperialismus beschreiten würde, und einem Diktator es erlaubt oder zumindest nicht in die Arme fällt, einen brutalen Angriffskrieg vom Zaun zu brechen, wie ihn die Welt seit 1945 nicht mehr gesehen hat. Dabei ist der Grund, dass wir nun das dritte Kriegsjahr gegen die Ukraine erleben, allein der Tatsache geschuldet, dass Russland über Atomwaffen verfügt. Sonst wäre dem Spuk auf der Basis eines Mandates der Vereinten Nationen wohl schon im Sommer 2022 ein Ende gemacht worden.

Und was machen wir in der Wüstenei dieser schrecklichen Wirklichkeit? Wir gefallen uns darin, die feurigen Schlangen unserer im Einzelnen berechtigen, aber insgesamt übertriebenen Klagen aufeinander loszulassen. Da gibt es Proteste, die im Kern alle ihre Berechtigung haben, aber mittlerweile jedes Maß verloren haben. Da rufen Politiker und Journalisten fast im Wochentakt nach Neuwahlen und scheinen völlig vergessen zu haben, dass es schon einen Sinn hat, nur alle vier Jahre zu wählen. So kommen wir nicht durch die Wüste der neuen Wirklichkeit.

Wir bräuchten jetzt auch eine eherne, also bronzene Schlange, wie sie Mose damals hatte. Und wer sie sieht, dem tun die feurigen Schlangen nichts mehr. Vielleicht hat Gott eine solch eherne Schlange bereits aufgerichtet, aber dann muss man sie immer noch in den Blick nehmen, sonst hilft es nichts. Ein Anfang wäre daher schon mal so zu reden, wie die Israeliten geredet haben: Wir haben gesündigt. Wir haben gesündigt, weil wir unserem Gegenüber nur das Schlechte unterstellen. Wir haben gesündigt, weil wir nur das Unsrige sehen und dabei die eigenen Fehler auch nur andeutungsweise nicht zugeben wollen. Das wäre ein Anfang nicht nur für die Politik in der Wüstenei des Jahres 2024.

Aber damit endet ja nicht unsere Geschichte aus der Bibel. Gott neutralisiert die feurigen Schlangen. Er hat ihnen zwar anfangs nicht Einhalt geboten, aber nun neutralisiert er sie.

Das Volk Israel hat der Welt viele wundervolle Dinge geschenkt. Das Wundervollste ist aber die Glaubenskraft, aus Gottes Hand das Leidvolle im Leben vielleicht auch zitternd zu nehmen UND ZUGLEICH darauf zu vertrauen, dass Gott das Leid lindern und dann auch wegnehmen wird.

Das hat mindestens zwei Vorteile: Zum einen bin ich nicht in der Versuchung, mir vorschnell einen Sündenbock zu suchen. Es ist Gott, der mich auf den Wüstenpfad führt – und nicht dieser oder jener vermeintliche Bösewicht. Und zum anderen: Egal, was kommt, nichts geschieht außerhalb oder gar gegen Gottes Machtbereich. Er bleibt der Souverän, er sitzt im Regiment und darum will und kann ich mich ihm anvertrauen, was auch immer geschieht.

Nobody Knows the Trouble I’ve Seen („Niemand kennt das Leid, das ich gesehen hab’“). Zum Glück ist dieser bekannte Gospel damit nicht zu Ende. Nobody knows the trouble I’ve seen. Nobody knows but Jesus. Niemand kennt das Leid, das ich gesehen hab‘. Niemand außer Jesus. Und darum: Glory hallelujah!

So bleibt auch heute an diesem 24. Februar 2024 das unumstößliche Vertrauen, dass diese Welt Gottes Welt ist. Und dass alle feurigen Schlangen und auch Schlangeriche nur vorübergehend züngeln können, weil Gott es ihnen erlaubt. Und dass darum bei Gott auch das Ende aller Schlangen bereits beschlossene Sache ist.

Und so wollen wir zusammenstehen, zusammenhalten, uns gegenseitig helfen und auch der Ukraine weiterhin helfen. Und wir wollen vertrauen auf die Wüstenerfahrung des Volkes Israel: Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Gott hat sein Zeichen in dieser Welt errichtet. Es steht auf Golgatha. Und es steht dafür, dass Gott

seine Welt nicht aufgibt.


DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

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