Es ist eine beeindruckende Szene am Ende des letzten großen Lutherfilms aus dem Jahre 2006. Die Szene spielt auf dem Reichstag in Augsburg, wo das evangelische Bekenntnis vor Kaiser Karl V. verhandelt wird. Der aus Spanien stammende und daher altgläubig-katholisch sozialisierte Kaiser verhält sich ablehnend, ja feindselig. Zum Schluss wird es ihm zu bunt und er fordert die anwesenden evangelischen Verbände auf, den Pfarrern künftig zu verbieten auf deutsch zu predigen und auch nicht mehr aus der Bibel in deutscher Sprache zu lesen. Da erhebt sich einer der Kurfürsten, tritt vor den Kaiser, sagt: Majestät, bevor ich mir meinen Glauben streitig machen lassen, lasse ich mir eher den Kopf abschlagen; kniet nieder und bietet dem Kaiser den bloßen Nacken. Dieser Mann soll Markgraf Georg von Brandenburg- Ansbach gewesen sein, der darum den Namen bekam Georg der Fromme.
Paulus schreibt in seinem Brief an die Galater (5,1): Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! Zur Freiheit befreit. Das heißt, nichts aus blindem Gehorsam tun müssen, sondern allein aus Überzeugung.
Mit blindem Gehorsam kannte sich der Mönch Martin Luther aus. Die Angst vor einem Gott, der blinden Gehorsam fordern würde, brachte ihn dereinst ins Kloster. „Hilf, heilige Anna, ich will ein Mönch werden!” Den Blitzeinschlag auf freiem Feld konnte der junge Luther nur deuten als Warnung Gottes.
Doch dann erkannte Luther, dass ihm das eingeredet wurde; ja, dass hinter diesem Einreden ein System steckte: die Angst vor einem ständig zürnenden Gott machte die Menschen gefügig. Auch ihn, Martin Luther, hatte sie ins Kloster geführt. In der Bibel aber entdeckte Luther: Gott ist freundlich zu uns. Also aufgeschlossen, zugewandt, wohlwollend. Für ihn war das die Befreiung von der Mär von einem Gott, der nur aus Verbotsschildern besteht. Aus dem ängstlichen Mönch Martin wurde der befreite Luther.
Danket dem Herrn, denn er ist freundlich. Für Martin Luther war das die Befreiung seines Lebens. Und damit das auch nie mehr in Vergessenheit gerät, übersetzte er die Bibel ins Deutsche. Damit sie jedermann und jedefrau das selbst lesen konnte.
Diese Kraft der Freiheit war es auch, die dann den Ansbacher Markgrafen in Augsburg dem Kaiser die Stirn bieten half und so der Reformation zum Erfolg verhalf.
MUSIK
Kaspar „Hauser tauchte am 26. Mai 1828 in Nürnberg als etwa 16-jähriger, geistig anscheinend zurückgebliebener und wenig redender Jugendlicher auf. […] Ein zeitgenössisches Gerücht kolportierte, Hauser sei der 1812 geborene Erbprinz von Baden, den man gegen einen sterben- den Säugling getauscht und beiseitegeschafft habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu ermöglichen.” 1831 kommt Kaspar Hauser nach Ansbach. Auch hier wurde er zur Attraktion und verkehrte in den besten Gesellschaftskreisen. Im Dezember 1833 erleidet er im Hofgarten eine lebensgefährliche Stichverletzung, an der er wenige Tage später stirbt. Bis heute scheiden sich die Geister an der Erbprinz- oder Betrugstheorie.1 Kaspar Hauser ist auf unserem Stadtfriedhof begraben. Und die Inschrift auf dem Grabstein bringt es auf den Punkt: „Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod 1833.“
Und doch wurde das Menschenmögliche für ihn getan. Auch schon die zu Lebzeiten Kaspar Hausers aufkommenden Betrugsindizien, änderten nichts daran. Der Ansbacher Gerichtspräsident Anselm von Feuerbach kümmerte sich aufrichtig um ihn. Der Gumbertus-Pfarrer Fuhrmann begleitete ihn seelsorgerlich, unterrichtete ihn und konfirmierte ihn noch in seinem Todesjahr. Und auch an seinem Sterbebett war Pfarrer Fuhrmann zugegen.
Das Menschenmögliche tun. Ein besonderes Beispiel dafür liefert das Markusevangelium (Mk 2,1ff.): 1 Und nach etlichen Tagen ging er [Jesus] wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. 2 Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.
Die vier Menschen, die den Gelähmten zu Jesus bringen, haben das Menschenmögliche getan. Sie haben das Dach nicht nur aufgedeckt, sondern auch noch aufgegraben! Es ist erstaunlich, was uns Menschen alles möglich ist. Und Gott ist es, der uns dazu die Kraft gibt. Loben wir darum Gott getrost mit Singen.
LIED 243,1.3.6
Wir hören zum Schluss einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja im 12. Kapitel: 1 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR! Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest. 2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Gott ist zornig über mich. Eine finstere Vorstellung? Und vor allem eine Vorstellung, die Luthers Entdeckung eines freundlichen Gottes widerspricht? Nein, keinesfalls.
Interessant ist, dass dort, wo vom Zorn Gottes in der Bibel die Rede ist, keine Gefühlsregung gemeint ist, sondern ein Handeln. Das bedeutet, dass ein etwaiges Unheil, das mich ereilt, mit Gott in Verbindung gebracht wird. Und noch viel wichtiger: Wenn Gott es ist, der Unheil zugelassen hat, dann ist er es auch, der es wieder beenden oder heilen wird. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Als Deutschland im Frühjahr 1945 in Schutt und Asche lag, konnte sich kaum jemand vorstellen, wie jeweils wieder etwas gut werden würde. Ansbach war dabei glimpflich davon gekommen. Im Vergleich etwa zu Würzburg, das dermaßen zerstört war, dass kurzzeitig sogar daran gedacht wurde, die Stadt woanders wieder aufzubauen.
Und heute? Wir dürfen in einer wunderschönen Stadt leben. Die Handschrift von Künstlern, wie dem italienischen Baumeister Leopoldo Retti, ist erhalten geblieben. Was für eine Gnade. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Am vergangenen Donnerstag wurden die 40. Erlanger Universitätstage in Ansbach eröffnet. Warum in Ansbach? Nun, die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen wurde dereinst von Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth gegründet. Jahrzehnte später fiel die Verant- wortung für die Universität jedoch dem Markgrafen Alexander von Brandenburg-Ansbach zu, der sie maßgeblich prägte und daher zum zweiten Namenspatron wurde.2
Die Universitätstage widmen sich heuer dem Thema „Künstliche Intelligenz”. Als ich den Eröffnungsvortrag gehört hatte, dachte ich mir: Was Menschen sich alles ausdenken können! Zu was Menschen fähig sind auch im Positiven! Und beim nach Hause gehen vorbei an Leo- poldo Rettis Gumbertuskirche überkam mich ein Gefühl von Dankbarkeit und Zuversicht. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Ja, es sind viele Herausforderungen, die uns bedrängen. Aber unter uns sind auch viele kluge Menschen, um ihnen erfolgreich zu begegnen. Heute wie damals.
Dekan Matthias Büttner
Anmerkungen:
- 1) https://de.wikipedia.org/wiki/Kaspar_Hauser [abgerufen am 20.10.2022]
- 2) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich-Alexander-Universit%C3%A4t_Erlangen-N%C3%BCrnberg [abgerufen am 21.10.2022]