Dekan Dr. Matthias Büttner

„Opfer bringen“ | Predigt zu Estomihi in St. Gumbertus (Ansbach)

„Opfer bringen“
Predigt zu Am 5, 21-24
Estomihi, 11. Februar 2024
St. Gumbertus, Ansbach

Liebe Gemeinde!

Opfer zu bringen, gehört zum Leben. Und zwar schon immer.

Interessanterweise sind die ältesten Zeugnisse menschlicher Zivilisation Opfergaben. Ob bei den Kelten oder den Ägyptern oder wem auch immer. Den Verstorbenen wurde etwas Kostbares mit ins Grab gegeben. Meist Schmuck oder ein Werkzeug oder auch eine Waffe. Die Kostbarkeiten wurden von den Menschen geopfert, denn zusammen mit dem Verstorbenen verschwanden sie im Grab.

Die Hintergründe solcher Opfergaben waren verschiedene. Man wollte dem Verstorbenen ein letztes Mal etwas Gutes tun, ihm Respekt erweisen, vielleicht auch etwas wieder gut machen. Oder, so die heidnische Vorstellung, ihm etwas mitgeben auf seine Reise in das Reich der Toten.

Opfer brachten die Menschen aber auch einer Gottheit. Auch im alten Israel wurden Gott Opfer gebracht. Beim Schlachtopfer etwa wurde ein Schaf oder eine Ziege geschlachtet und gekocht. Bevor das Fleisch im Kreis der Familie verspeist wurde, wurde das nach damaliger Vorstellung Wertvollste, das Fett, auf dem Räucheraltar verbrannt und damit Gott geopfert.

Das bedeutsamste Motiv für die Darbringung von Opfern war der Dank. Weil ich von Gott gesegnet bin, gebe ich etwas an ihn zurück. Man kann das archaisch nennen. Oder auch respektvoll.

Im alten Israel war das Opfern an den Tempel gebunden. Mit der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 nach Christus, fand auch der jüdische Opferkult sein Ende. Im Synagogengottesdienst wurden fortan keine Opfer dargebracht. Und daher auch nicht im daraus entstandenen christlichen Gottesdienst.

Opfer zu bringen, gehört aber dennoch auch zu unserem Leben heute. Wir tun es nur auf andere Art. Wir opfern unsere Zeit für jemanden oder für eine gute Sache. Welche Mengen an Zeit und Kraft opfern Ehrenamtliche für eine gute Sache. Ich muss an die ehrenamtlichen Helfer unserer Tafel denken, von denen kürzlich in der Zeitung zu lesen war. Oder die vielen ehrenamtlichen Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher! Manche Menschen opfern sich regelrecht für etwas auf.

Jesus setzt den Opferkult des Alten Testaments voraus. Zu seiner Zeit gab es noch den Tempel mit seinem Opferbetrieb. Jesus wehrt sich aber gegen einen sinnentleerten Opferkult, bei dem es in Wirklichkeit um etwas anderes, z. B. Geschäfte geht. Das ist der Hintergrund der sogenannten Tempelreinigung durch Jesus. Im Tempelhof war das Geschäft mit dem Verkauf von Opfertieren wichtiger geworden als der Sinn des Opfers: die Dankbarkeit gegenüber Gott.

So war es auch beim Propheten Amos. Im 5. Kapitel des Buches Amos hören wir: So spricht der Herr: 21Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – 22es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. 23Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! 24Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Es war ähnlich wie bei Jesus. Die Geschäfte rund um den Opferkult waren wichtiger als der Kult selbst. Ja, man achtete bei den Geschäften nicht einmal auf Recht und Gerechtigkeit. Aber solche Opfer, die unter ungerechten Umständen zustande kommen, so Amos, die sind Gott ein Dorn im Auge. Wenn Opfer erbracht werden, dann ehrlich und ohne Hintergedanken. Das gilt damals wie heute.

Aber müssen wir überhaupt Opfer bringen? Ich denke schon. Ohne die geopferte Zeit von Menschen in der Tafel oder beim Besuchsdienst geht es nicht. Und letztlich bringen auch wir mit solchen Opfern unseren Dank vor Gott, der uns so viel Gutes tut.

Opfer zu bringen, gehört zum Leben. Manchmal werden so viele Opfer abverlangt, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie das die Menschen geschafft haben. Denken wir an die beiden Weltkriege. Oder an die Trümmerfrauen nach 1945. Zu anderen Zeiten waren zu erbringende Opfer dann überschaubarer. Zum Beispiel bei uns sogenannten Babyboomern.

Nun sind es bald zwei Jahre, dass Russland die Ukraine in einem beispiellosen Krieg attackiert. Recht und Gerechtigkeit gehen seitdem den Bach hinunter. Ich bin aufgewachsen im sogenannten Kalten Krieg. Natürlich war die Sowjetunion damals der potenzielle Aggressor. Aber meistens nur in James-Bond-Filmen. In Wirklichkeit wollten die alten Männer in den Sowjetkadern einfach ihre Ruhe. Aber jetzt ist da ein Kriegsherr zugange, dem sein eigenes Volk ebenso gleichgültig ist wie die Menschen in der Ukraine. Und als wenn das nicht genug wäre, hat in dieser Woche in den USA ein einzelner Mann ohne politisches Amt, der am Ende noch einmal Präsident werden könnte, die USA dazu zwingen können, ihre Verbündeten in Europa im Stich zu lassen. Ich verstehe alle, die sich an die Friedensinitiativen aus der Zeit des Kalten Krieges klammern. Aber das war eine andere Zeit.

Mich haben die Worte eines klugen Kommentators diese Tage sehr nachdenklich gemacht. Er schreibt: „Ein Dreivierteljahrhundert haben die Europäer sicher, warm und ruhig unter der Decke gelegen, die Amerika über sie gebreitet hatte. In dieser Woche wurde sie weggezogen. Und die Welt da draußen ist kalt, gefährlich und voller Kriegslärm.“i

Das ist die Realität. Und sie wird uns Opfer abverlangen. Möge Gott verhindern, dass das im wahren Sinne des Wortes geschieht. Aber Geld und Durchhaltevermögen werden uns abverlangt werden. Und lediglich bei der Streichung von Subventionen wird es nicht bleiben. Denn es steht nichts Geringeres als die regelbasierte Weltordnung, also die Welt, wie wir sie kennen, auf dem Spiel. Das ist die Situation zu Beginn der Passionszeit.

In diesen Tagen fiel mein Blick auf einen Vers aus den Klageliedern im Alten Testament. Und ich muss Ihnen sagen, wie dankbar ich gerade jetzt für solche biblische Worte bin und auch dafür, dass ich daran glauben darf. Dort heißt es: Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. Das galt zur Zeit des Propheten Amos, das galt zur Zeit Jesu. Und es gilt auch heute. Wir wollen tun, was zu tun nun an der Reihe ist. Dabei bleiben wir geduldig und hoffen auf die Hilfe Gottes.

Wir feiern jetzt gleich das Heilige Abendmahl. Wir feiern, dass sich in Jesus Gott für uns, ja, aufopfert. Gott überlässt uns und diese Welt nicht einem blinden Schicksal. Darum können wir geduldig sein. Und zuversichtlich. Und dabei die Opfer bringen, die wir bringen müssen.


i) Hubert Wetzel, Süddeutsche Zeitung vom 08.02.2024, S. 4.

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

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