Feier an der Klagemauer – zum Weinen schön

Es gibt Geschichten, die sind einfach zum Weinen schön, finde ich. Manchmal sagt man diese Worte ja einfach nur so hin – diese Geschichte hier ist es aber wirklich.

Es ist die Geschichte der Schoschana Ovitz. Vor ein paar Tagen wurde sie 104 Jahre alt. Sie hat sich für diesen Geburtstag etwas Besonderes ausgedacht. Sie feiert mit etwa 400 Kindern, Enkeln, Ur- und Ururenkeln ihren Geburtstag an der Klagemauer des Tempels von Jerusalem. Diese Mauer ist nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 nach Christus stehengeblieben. Oft sehen wir sie im Fernsehen und erkennen, wie Menschen vor ihr beten und kleine Zettel in die Mauerritzen stecken. Auf diesen Zetteln stehen Klagen, Dank oder Bitten an Gott.

Frau Schoschana will nicht klagen. Sie und ihre große Familie wollen Gott danken und loben. Als junge Frau hat sie das Konzentrationslager Auschwitz überlebt. Der grausame KZ-Arzt Josef Mengele habe ihre Mutter auf dem Gewissen, sagt sie. Schoschana hat später eine große Familie gegründet und den reichen Segen Gottes erlebt. Der älteste Enkel, der heute in Belgien lebt, sagt nach dem Fest: „Alle hatten Tränen in den Augen, so bewegend war es.“

Welch ein Fest; ein Triumph des Lebens. Schoschana erlebt als junge Frau die Hölle; dann überlebt sie diese und feiert fortan das Leben, feiert Gott, der sie trug und trägt. Der Mut und die Kraft dieser Frau sind ansteckend. Das ist zum Weinen schön.

Oft wissen wir ja nicht und rätseln darüber, warum Gott Böses zulässt. Wir fragen dann nach dem „Warum?“ – und fragen das auch mit Recht. Womöglich erhalten wir aber keine Antwort. Dabei dürfen wir dann nicht stehen bleiben, lerne ich aus der Geschichte dieser Frau. Man kann Schritte wagen über das Böse und über das Rätsel hinaus. Es hilft oft mehr, dem Schmerz zu trotzen, als sich ihm hinzugeben. Und das Leben zu feiern, wann immer es möglich ist. Feiern muss nicht laut sein, man kann auch still feiern.

Denn Leben und Glück gibt es ja auch: Gott ist größer als jeder Schmerz. Entweder sieht ein Mensch auch in seinem schweren Leben noch Glück, das ihm bleibt – oder man erfreut sich am Glück anderer. Und stimmt in das Lob der anderen ein, so gut es geht. Das macht mich nicht gleich glücklich, es entlastet mich aber.

Wer Gott loben kann, bietet dem Schmerz die Stirn.

(Foto Israelische Botschaft in Deutschland Text F.Müller nach n-tv.de 14.8.2019 bei @buhv.de) Der Text ist die persönliche Meinung des Verfassers.

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