Liebe Gemeinde!
Heute ist der Heilige Abend des Jahres 2023. 2023 Jahre nach Christi Geburt. Und nicht etwa Heilig Abend des Jahres 6 nach Amtsantritt von Markus Söder. Oder des Jahres 4 nach Amtsantritt von Olaf Scholz.
Tatsächlich gebrauchten noch bis ins frühe Mittelalter die gekrönten Häupter die Zahl der eigenen Herrschaftsjahre als Datierung. Ihr Amtsantritt war für sie zugleich der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Das änderte sich erst mit Kaiser Karl dem Großen. Er ließ mit seiner Krönung zum Kaiser keine neue Zeitrechnung beginnen, sondern benannte das Jahr seiner Krönung mit 800 nach Christus.i Karl der Große war auch Karl der Fromme. Er stellte sich unter die Zeitrechnung, die mit der Geburt Jesu beginnt.
Im Galaterbrief im 4. Kapitel heißt es: 4Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, 5auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen. 6Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!
Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn. Die Geburt Jesu ist der Wendepunkt. Und nicht etwa der Amtsantritt eines Herrschers. Mit diesem Herrscherwechsel musste sich auch der römische Kaiser Augustus abfinden. Schon zu Lebzeiten, so berichten es Chronisten, ließ sich Augustus wie ein Gott verehren. Und darum sollte, wenn es nach ihm gegangen wäre, nicht erst mit seinem Herrschaftsbeginn eine neue Zeitrechnung beginnen, sondern gleich mit seinem Geburtstag. Aber daraus wurde nichts.
Die Geburt Jesu ist der Wendepunkt der Geschichte. Hier geht es nicht um einen Herrscher. Es geht um eine Mutter und ihren Säugling. Mit dem im Stall von Bethlehem geborenen Gottessohn wird wahr, was Urzeiten zuvor der Psalter sagt: Es ist gut, auf den HERRN vertrauen und nicht sich verlassen auf Fürsten. (Ps 118,8) Im Zentrum stehen nicht weltliche Herrscher, sondern Gott.
Später wird das Kind in der Krippe als Erwachsener sagen: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener (Mt 20,25f.). Von Herrschern, die ihre Völker niederhalten, musste in diesem Jahr leider reichlich die Rede sein. Frech brüsten sie sich in China mit roher Gewalt und unverhohlener Unterdrückung. Und in Russland und im Iran sekundiert zu allem Übel auch noch eine Geistlichkeit, die diese Bezeichnung daher nicht mehr verdient. Aber ihnen wird es nicht gelingen, die Zeit zurückzudrehen. Sie werden sich nicht zu Zeitenwendern der Gewalt und des Unrechts machen können. Denn jede Herrschaft auf dieser Erde ist endlich. Ewig ist nur das Kind in der Krippe.
Das Kind in der Krippe ist die Antwort Gottes an die Großversprecher dieser Welt. Augustus war so einer. Und sie sind nicht ausgestorben. Mit der Motorsäge wollen sie es richten. Oder das eigene Land endlich wieder groß machen. Dabei lügen sie das Blaue vom Himmel. Und sagen Dinge, für die man sich früher geschämt hätte. Der fromme Journalist Heribert Prantl, der sich stets an seiner katholischen Kirche reibt, hat zu diesem Weihnachtsfest geschrieben: „Solche Großversprecher sind nicht in Windeln gewickelt; sie sind in Unrecht verwickelt.“ii
Hierzulande gibt es keine solchen Herrscher. Gott sei Dank. Es gibt Menschen mit Macht. Aber in der Politik heißen sie „Minister“. Das ist Lateinisch und bedeutet „Diener“. Und dass das so ist, darüber können wir dankbar sein. Hegen und pflegen wir unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat!
Gott wird Mensch, damit wir Menschen zu Gott kommen können. „Abba, lieber Vater!“ dürfen wir rufen, sagt Paulus – und er meint damit keine schwedische Popgruppe. „Abba“ ist im Aramäischen, der Muttersprache Jesu, die in Familien damals üblichen Anrede an den Vater. Durch das Kind in der Krippe werden wir zu Kindern, die zur Großfamilie Gottes gehören. Wer also ein irgendwie getrübtes Verhältnis zu Gott hat, der erhebe sein Haupt. Wem gar mit dem lieben Gott in der Kindheit gedroht worden ist, der möge diesen Unsinn vergessen. Abba, lieber Vater! Schöpft neues Gottvertrauen. Lasst den Gott in euer Leben, der uns zuliebe in unsere Welt gekommen ist.
Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn. Jesus von Nazareth wird in eine Krisenzeit hineingeboren. Und in eine Krisenregion. „Das habt zum Zeichen“, sagen die Engel zu den Hirten auf dem Feld. Weil es nämlich ein Zeichen ist und was für eines. Es zeigt uns: Gott überlässt den Bösewichten nicht diese Welt. Gott gibt uns nicht verloren.
Die Geburt Jesu ist darum der Wendepunkt der Geschichte. Die Zeitenwende wird damit nie einem Herrscher gehören. Die Zeitenwende gehört einem Kind: dem Kind in der Krippe. Die Weihnachtsgeschichte ist von daher die vielleicht schönste Geschichte aller Zeiten. Und allen, die sie nicht glauben können, sagt ein hoffungsvoller Heribert Prantl, dass sie viel zu schön ist, um nicht wahr zu sein.
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und damit auch unserer persönlichen Geschichte ist der Mensch gewordene Gottessohn. Alle Welt zählt die Zeit nach seiner Geburt. Das Kind in der Krippe gehört damit nicht nur der Christenheit, sondern der ganzen Welt. Und so wird in diesen Tagen überall und auch bei Nicht-Christen Weihnachten gefeiert mit der vielleicht auch nur erahnten Hoffnung, dass unsere Welt Gott gehören möge.
Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau. Darum frohe Weihnacht alle Welt! Dein Retter ist da.
i https://de.wikipedia.org/wiki/Dionysius_Exiguus [abgerufen am 19.12.2023].
ii Süddeutsche Zeitung vom 22.12.2023, S. 5.
DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH