Das größte aller Wunder

In Schottland ereignet sich ein kleines Wunder; ein Geschenk des Himmels

Wenn das kein Wunder ist … Anne und Bill sind verheiratet, seit vielen Jahren schon. Dann wird der Mann krank. Er leidet an Demenz. Seine Sinne geraten durcheinander. Selbst seine eigene Frau erkennt er bald nicht mehr. Ich hatte ihn verloren, sagt Anne über ihren Ehemann Bill. Bis vor zwei Wochen ist das so.

Auf einmal sagt Bill, wie aus heiterem Himmel, zu der Frau, die er nicht mehr als seine Ehefrau erkennt, er habe sich in sie verliebt. Und sie, die Gunst des Augenblicks nutzend, fragt ihn, ob er sie denn nicht vielleicht heiraten wolle.

Ja, sagt der Mann dann. Und Anne kann ihr Glück kaum fassen. Ihr Mann weiß nicht mehr, dass sie verheiratet sind – und will sie heiraten. Am nächsten Tag fragt er sogar noch einmal nach, wann es denn wohl so weit sei. Dann beeilt sich die Frau und bereitet in 48 Stunden die Hochzeit vor. Am Ende läuft alles rund. Sie heiraten vor fünf Tagen. Wenn das kein Wunder ist.

Nein, niemand darf Demenz schönreden. Die Krankheit kann schrecklich sein. Oft ist es ein großes Vergessen, die Sinne verrutschen einem; sie ordnen sich irgendwie neu und werden meist sehr fremd für die anderen. Ehepartner und Kinder sind ratlos; sie leiden darunter, wenn sie nicht mehr erkannt werden. Oft hören und beantworten sie die immer gleichen Fragen. Das ist schlimm. Da kann man verzweifeln an Gott und der Welt. Kaum jemand ist stark genug dafür. Oft schafft man die Pflege zuhause nicht mehr. Das muss man verstehen und sich eingestehen. So viel Betreuung ist Zuhause oft nicht möglich. Umso schöner ist dann ein Wunder, wie Licht vom Himmel.

Die Welt ist oft schlimm, das lesen und hören wir. Oder wir erleben es in der Nähe, womöglich am eigenen Leib. Und doch hat die Welt auch Glanz. Es ist dann wie ein Wunder – kaum zu fassen. Und hat immer mit Liebe zu tun, mit Nähe und Wärme.

Liebe ist wie ein Zauber für die Welt, für mein Leben. Wir können Schmerz oft nicht ändern; wir können manche Zweifel nicht wegwischen. Wir können aber auch die sehen, die uns trotzdem immer wieder verzaubern: der Arzt, die Schwester, die Nachbarn oder Enkel. Ihre Nähe und Wärme sind nie selbstverständlich. Sie sind ein Geschenk des Himmels. Immer. Jeden Tag wieder. In ihnen allen spiegelt sich der große Glanz der Welt, das Versprechen Gottes (Jesaja 46,4): Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet … ich will heben und tragen und erretten.

Kein Wunder ist größer, als wenn jemand mit mir fühlt.

(Foto Liebe im hohen Alter: Bis dass der Tod uns scheidet | STERN.de Text F.Müller nach focus.de 28.8.2019 bei @buhv.de Der Text ist die persönliche Meinung des Verfassers.)

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