Dekan Dr. Matthias Büttner

„Vom Unrecht zur Barmherzigkeit“ Predigt zu Mk 12,1-12 2. So. d. Passionszeit (Reminiszere), 5. März 2023

 „Vom Unrecht zur Barmherzigkeit“
Predigt zu Mk 12,1-12
2. So. d. Passionszeit (Reminiszere), 5. März 2023
in Gräfenbuch und Lehrberg 

 1 Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als Letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. 9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.« 12 Und sie trachteten da-nach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

 Liebe Gemeinde! 

Der Pfarrer, der mich durch das Vikariat begleitet hat, schickte mir neulich ein Büchlein von sich, in dem er Gebete, Gedichte und Geschichten aus seinem Leben aufgeschrieben hat. „Es war wenige Tage nach Kriegsende. Die Soldaten der US-Army waren in unsere Stadt gezogen. Aber noch war die äußere Ordnung nicht wiederhergestellt. Wir Kinder trieben uns auf den nahen Güterbahnhof herum. Aus einem offenen Güterwagen schleppten die Leute Koffer davon. Ich ließ mir die Gelegenheit nicht entgehen und nahm ebenfalls einen Koffer mit. Ich wunderte mich, wie schwer er war. Zwar hatte der Neunjährige ein schlechtes Gewissen, aber ich wollte auch etwas nach Hause bringen und meiner Mutter eine Freude bereiten. Ihr war es nicht recht, als ich ihr meinen Fund vor die Füße stellte. Aber die Ware zurückbringen ging auch nicht. Ach, war ich neugierig, was sich wohl in dem Koffer befinden mochte. Also öffneten wir ihn und siehe da: Ein zweiter Koffer lag darin. Er passte genau in den ersten. Wir öffneten den zweiten und ein dritter kam zum Vorschein. Als wir auch diesen noch aufschlossen, fanden wir einen ganz kleinen Koffer – und der war leer. Und ich hatte im Stillen doch auf einen Schatz gehofft. Im Lesebuch meiner Mutter las ich: Unrecht Gut gedeihet nicht.“ i)

 Als ich diese Zeilen las, musste ich an meine Großmutter denken, die mir auch erzählte, wie ein Zug mit Güterwagen in unserem Dorf gegen Ende des Krieges gestrandet war. Und wie die Leute die Wa-ren aus dem Güterzug plünderten und sich bedienten am fremden Gut. Es müssen die Sachen von Flüchtlingen aus den Ostgebieten gewesen sein, die diese Richtung Westen vorausgeschickt hatte – und wohl nie wiedersahen. Und ich erinnere mich, dass meine Großmutter sagte, dass sie und ihre Familie nichts aus den Waggons genommen hatte. 

In dem Gleichnis, das wir vorhin gehört haben, sind es die Pächter eines Weinberges, die Unrecht tun. Sie brechen die Vereinbarung mit dem Eigentümer des Weinberges. Als dieser nämlich seinen Anteil an den Früchten des Weinberges holen will, schlagen und verjagen sie die Diener des Weinbergbesitzers. Manche bringen sie sogar um. Als dieser schließlich sogar seinen Sohn schickt in der Hoffnung, dass die Pächter ihm Respekt entgegenbringen, ist deren Beschluss schnell gefasst. „Lasst ihn uns töten, so wird das Erbe unser sein!“ Gesagt getan. Und Jesus beendet das Gleichnis mit der rhetorischen Frage: Was wird nun der Herr des Weinberges tun? 

Worum es in dem Gleichnis ursprünglich geht, ist schnell erzählt: Jesus übt Kritik an der religiösen Chefetage seiner Zeit. Er gebraucht dazu das damals bekannte Bild vom Weinberg. Israel wird im Alten Testament als Weinberg Gottes bezeichnet. Und diesen Weinberg überlasst Gott, so die Aussage in Jesu Gleichnis, Weingärtnern, die sich als böse erweisen. Sie schlagen und töten sogar die vom Herrn des Weinberges zu ihnen gesandten Boten. Auch das hat einen biblischen Anklang: die Oberen im alten Israel wollten sich von den Propheten nur selten etwas sagen lassen, töteten sie sogar – so Jesu Kritik. Und jetzt kommt der entscheidende Satz: Der Herr des Weinberges macht dem Treiben der bösen Weingärtner ein Ende und gibt ANDEREN den Weinberg. 

Wer sind nun diese Anderen? Jesus verrät es nicht. Aber offenbar fühlen sich die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten und damit das religiöse Establishment angesprochen. Sie fühlen sich insofern angesprochen, dass sie sich von Jesus als böse Weingärtner bezichtigt sehen. Am liebsten würden sie auf Jesus losgehen, aber sie haben Angst vor all den Menschen, die Jesus und das, was er sagt, gut finden. 

Wer sind die Anderen? Im Gleichnis sind es die, die nicht Unrecht tun gegenüber dem Weinbergbesitzer. Können wir uns von daher so selbstsicher bei diesen Anderen wiederfinden? Oder nötigt uns das Gleichnis Jesu nicht eher eine gehörige Portion von Selbstkritik ab? 

Vorgestern feierte das Washingtoner Artenschutzübereinkommen seinen 50. Geburtstag. 1973 wurde es unterzeichnet und dieses Übereinkommen war ein Meilenstein. Es ging um den Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Damit wurden einem bis dahin ungezügelten Raubbau Grenzen gesetzt. Aber dennoch verschwinden bis heute immer noch viel zu viele Pflanzen und Tierarten für immer von unserem Planeten. Das ist gefährlich auch für uns Menschen, weil ganze Lebensmittelkreisläufe gestört werden und Ökosystem ihre Stabilität verlieren. Ein gutes Beispiel ist dafür das Sterben der Insekten, in denen wir zu allererst lästige Plagegeister sehen, die aber von immenser Bedeutung für die Bestäubung von Pflanzen und Bäumen sind und damit für unsere Ernährung.

Das Erstaunliche in dem Gleichnis ist ja die Naivität der Weinbergpächter. Haben sie allen Ernstes geglaubt, dass ihnen der Weinberg gehört, wenn sie den Erben umbringen? Aber wir brauchen uns darüber gar nicht erheben. Ist es nicht ebenso naiv zu glauben, wir könnten den Klimawandel in den Griff bekommen und dabei unseren Lebensstil eins zu eins beibehalten? 

Schauen wir noch einmal auf das Gleichnis selbst. Darin geht es in der Hauptsache um den Weinberg. Nicht der Weinberg hat den Zorn des Weinbergbesitzers auf sich gezogen, sondern die Pächter. Dass sie abgelöst werden und der Weinberg anderen Pächtern gegeben wird, ist für die abgelösten Pächter eine Katastrophe, für den Weinberg aber nicht. Im Gegenteil: der Weinberg ist Gegenstand der Zuwendung, ja Liebe seines Besitzers. 

Der Weinberg ist das Bild für das Volk Gottes. Zu diesem Volk gehören auch wir. Und damit sind wir Gegenstand der Zuwendung Gottes, ja seiner Liebe. Die Kritik an den Eliten, wer auch immer heute damit angesprochen wäre, lassen wir jetzt außen vor. Wir sind Gottes Weinberg und Gott liebt und hegt und pflegt uns von Herzen. 

Heute ist der Sonntag Reminiscere. Der Sonntag hat seinem Namen von Ps 25,6: Gedenke (reminiscere), Herr, an deine Barmherzigkeit. Ja, und tatsächlich gedenkt Gott an seine Barmherzigkeit. Das ist die Botschaft unseres Bibelwortes heute. Gott überlässt seinen Weinberg nicht bösen Päch-ter. Im Gegenzug ist Gott bereit, nahezu alles für seinen Weinberg zu tun – und damit auch für uns – für dich und für mich. 

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

i) Erich Puchta, Finde deinen Weg. Pfade der Zuversicht, Geschichten, Gedichte, Gebete, Lindenberg i. Allgäu 2023, S. 82.  

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