Dekan Dr. Matthias Büttner

„Gottes Geist macht lebendig“ | Predigt zum Pfingstsonntag in St. Johannis (Ansbach)

„Gottes Geist macht lebendig“
Predigt zu Ez 37,1-14
Pfingstsonntag, 19. Mai 2024
St. Johannis, Ansbach

Liebe Gemeinde!

Es war eine Zeitenwende: Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts entstand die Science Fiktion Serie „Star Trek“, die bei uns Raumschiff Enterprise hieß. Die Kubakrise lag gerade ein paar Jahre zurück. Jene Krise zwischen damaliger Sowjetunion und den USA, wo es um die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba ging und in deren Verlauf es fast zum Einsatz von Atomwaffen gekommen wäre. Nur knapp zwanzig Jahre vorher fand der Zweite Weltkrieg sein schreckliches Ende durch den Einsatz von zwei Atombomben gegen Japan. Die Welt befand sich in einer sehr heißen Phase des Kalten Krieges. Und nun sitzen auf der Brücke des fiktiven Raumschiff Enterprise ein Japaner und ein Russe friedlich nebeneinander am Steuer, zusammen mit einem amerikanischen Captain, und erkunden auf einer Friedensmission das Weltall. Noch heute sagen Menschen, die damals die Fernsehserie gesehen haben, dass in jeder Folge etwas von einem Neuaufbruch in Richtung einer besseren Welt zu spüren war. Und davon, dass sich das Blatt der Geschichte zum Guten wenden kann.

Unser Predigtwort für das diesjährige Pfingstfest führt uns ebenfalls in eine Zeitenwende. Allerdings in umgekehrte Richtung. Jerusalem, die hochgebaute Stadt, wird im Jahr 587 durch die Babylonier zerstört und mit der Stadt auch der einst von Salomo erbaute Tempel. Für die Israeliten stellte das eine Katastrophe bisher nicht vorstellbaren Ausmaßes dar. Es war der Untergang ihrer bisher bekannten Welt. Tatsächlich war es so, dass sich das alte Israel auf gefährliche Weise mit den damals schnell wechselnden Regionalmächten angelegt hatte. Die Warnungen der Propheten wurden in den Wind geschlagen. Und so hatte das kleine Israel versucht, die Babylonier mit Hilfe der Ägypter auszutricksen – was gründlich schief ging. Die Ägypter zogen sich zurück und Babylon schlug mit aller Härte zu. Israel verlor die Eigenstaatlichkeit und dazu Hauptstadt und Tempel.

Ein erster Schritt der Verarbeitung der Katastrophe bestand darin, dass das Volk Israel die Zerstörung Jerusalem als verdiente Strafe Gottes einordnete. Das mag zunächst nach einem unbarmherzigen Gott klingen. Aber genau besehen hieß das: die Babylonier hätten Jerusalem nie und nimmer zerstören können, wenn es Gott nicht zugelassen hätte. Der Herrscher der Welt bleibt für Israel damit sein Gott. Und damit traute Israel seinem Gott auch zu, dass er das Blatt auch wieder wenden kann. Und genau das passiert in unserm heutigen Predigtwort: Gott wendet das Blatt zum Guten.

Es hat schon ein wenig etwas von Science Fiktion: der Prophet Ezechiel, der von Gott „Menschenkind“ bezeichnet wird, wird von Gottes Geist auf ein Feld geführt, wo sich ein Bild des Grauens ergibt. Tote Gebeine liegen da so weit das Auge reicht. So wird es ausgesehen haben, als die Babylonier nach vergeblichem Widerstand Jerusalem erobert hatten. Doch nun wendet sich das Blatt zum Guten.

Hören wir jetzt beim Propheten Ezechiel im 37. Kapitel: 1Des Herrn Hand kam über mich, und er führte mich hinaus im Geist des Herrn und stellte mich mitten auf ein weites Feld; das lag voller Totengebeine. 2Und er führte mich überall hindurch. Und siehe, es lagen sehr viele Gebeine über das Feld hin, und siehe, sie waren ganz verdorrt. 3Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese Gebeine wieder lebendig werden? Und ich sprach: Herr, mein Gott, du weißt es.

4Und er sprach zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret des Herrn Wort! 5So spricht Gott der Herr zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Odem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet. 6Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben, dass ihr wieder lebendig werdet; und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin. 7Und ich weissagte, wie mir befohlen war. Und siehe, da rauschte es, als ich weissagte, und siehe, es regte sich und die Gebeine rückten zusammen, Gebein zu Gebein. 8Und ich sah, und siehe, es wuchsen Sehnen und Fleisch darauf und sie wurden mit Haut überzogen; es war aber noch kein Odem in ihnen. 9Und er sprach zu mir: Weissage zum Odem; weissage, du Menschenkind, und sprich zum Odem: So spricht Gott der Herr: Odem, komm herzu von den vier Winden und blase diese Getöteten an, dass sie wieder lebendig werden! 10Und ich weissagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam der Odem in sie, und sie wurden wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer. 11Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns. 12Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr: Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels. 13Und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole. 14Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen, und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin. Ich rede es und tue es auch, spricht der Herr.

Gottes Geist macht lebendig. Und zwar gegen alle Erfahrung. Das ist die heutige Pfingstbotschaft. Es ist ja gar nicht möglich, dass tote Gebeine wieder mit Sehnen und Fleisch und Haut überzogen werden und dann wieder lebende Wesen werden. Aber Gottes Geist kann es, auch wenn das Wie ein Geheimnis bleibt: lebendig machen.

Wenn wir heute an diesem Pfingstfest auf die Gebeinefelder unserer Welt blicken, dann sehen auch wir Bilder des Grauens: in der Ukraine, im Gaza-Streifen. Der Journalist Heribert Prantl bezeichnet die Pfingstgeschichte als die Geschichte einer wundersamen Verständigung unter den Menschen, als ein Kommunikationswunder. Und fügt traurig hinzu: von einem solchen Geist ist im Jahr 2024 nichts zu spüren.i Ja, so ist es leider. Wir haben gerade erst den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes gefeiert. Es ist entstanden auf den blutgetränkten Trümmern einer 12 Jahre währenden Gewaltherrschaft. Woher kommt 75 Jahre später die Faszination manchen Menschen, die hier in Freiheit und Gerechtigkeit leben, für autoritäre Herrscher und Regime? Woher kommen all dieser Hass und diese Hetze vor allem in den sozialen Medien? Dem Pfingstwunder mit seiner wundersamen Verständigung war eine bleierne Zeit vorausgegangen.

Die Jünger und Jüngerinnen trafen sich nur heimlich und im Verborgenen. Ängstlich mieden sie alle Öffentlichkeit. Und am liebsten wäre es ihnen gewesen, wenn die Welt untergegangen wäre. Während dieser bleiernen Zeit hätten sie es sich nicht träumen lassen, dass sie es bald in alle Welt hinausrufen würden, und diese Botschaft bald um die ganze Welt gehen würde: „Der, den sie am Kreuz getötet haben, er ist auferstanden, von Gott auferweckt, und lebt. Und weil er lebt, leben auch wir, gleichgültig was kommt und geschieht.“

Im Jahr 1966 sitzt in New York Manhattan ein Mädchen von 11 Jahren völlig fasziniert vor dem Fernseher. Mit offenem Mund verfolgt sie die Szenen, die sich auf der Brücke des fiktiven Raumschiffs Enterprise abspielen. Da sitzen nicht nur ein Russe und ein Japaner friedlich nebeneinander. Da gibt es auch eine Kommunikationsoffizierin, Lt. Uhura, eine schwarze Frau, die selbstbewusst und selbstverständlich mit ihrem weißen Captain zusammenarbeitet. Das Mädchen, das selbst schwarz ist, heißt Whoopi Goldberg. Und Lt. Uhura wird zu ihrem großen Vorbild. Eine solche stolze und selbstbewusste schwarze Frau will sie auch einmal werden. Tatsächlich wird Whoopi Goldberg eine weltberühmte Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin werden. Und sie wird Jahrzehnte später in einem Interview sagen, dass ihr das fiktive Raumschiff Enterprise damals so viel Hoffnung gegeben hat.

Eine solche Hoffnung habe ich auch für die Gebeinefelder unserer Zeit. Ich weiß, dass Gott seinen Geist auch bei uns wieder wehen lassen wird. Ich weiß, dass Gottes Geist auch die toten Gebeine von heute lebendig machen kann. Ich weiß, dass er das Blatt wieder zum Guten wenden kann. Die Kubakrise von damals mündete nicht in einer Katastrophe. Der Kalte Krieg konnte schon einmal beendet werden. Warum nicht auch ein zweites Mal?

Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese Gebeine wieder lebendig werden? […] Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret des Herrn Wort! 5So spricht Gott der Herr zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Odem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet.

Gottes Geist weht in dieser Welt. Und er weht auch dort, wo Gewalt und Ungerechtigkeit noch triumphieren. Gottes Geist wird auch den toten Gebeinefeldern unserer Zeit wieder Leben einhauchen. So wie damals. So immer wieder bis sein Geist alles neu und dann für Ewigkeit gemacht hat.


i Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung vom 17. Mai 2024, S.5

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

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