Dekan Dr. Matthias Büttner

„Du bist ein Gott, der sich zeigt“ Predigt zu 2. Mose 33,18-23 am 2. Sonntag nach Epiphanias

 „Du bist ein Gott, der sich zeigt“
Predigt zu 2. Mose 33,18-23
2. Sonntag nach Epiphanias, 15. Januar 2023
St. Gumbertus, Ansbach 

Liebe Gemeinde! 

Wir hören heute von zwei Menschen, die enttäuscht worden sind. Mose und Hagar. Ein Mann und eine Frau. Aber das ist nicht der einzige Unterschied. Mose sagt, wo es langgeht. Hagar dagegen hat zu tun, was man ihr sagt. Doch gemeinsam ist beiden, dass ihnen in ihrer jeweils völlig unterschiedlichen Lebenssituation und inmitten ihrer Enttäuschung Gott erscheint. Und wir werden sehen, wo Gott erscheint, wird das Leben zum Fest. i)

Aber soweit ist es noch nicht. Mose ist auf dem Berg Sinai irgendwo zwischen Ägypten und Palästina. Er empfängt dort die Zehn Gebote von Gott, um sie an das Volk Israel und später an alle Welt weiterzugeben. „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.” Es sind die Gebote für die Freiheit des Volkes Gottes – nachdem Gott sein Volk aus Ägyptenland aus der Sklaverei herausgeführt hat. 

Aber die Israeliten haben sich bezüglich ihres neuen Lebens schon selbst geholfen. Sie haben all ihren Schmuck zusammengelegt, haben ihn eingeschmolzen und daraus ein goldenes Kalb gegossen. Ein glänzendes und Potenz symbolisierendes Stierbild ii) – das macht freilich etwas her! Nicht so langweilig wie eine Ansammlung von „Du sollst…“ von einem unsichtbaren Gott. Ein Stierbild. Da kann man sich etwas darunter vorstellen, eine Menge hineininterpretieren und ansprechend ist es auch noch. 

Mose ist verärgert. Wie konnte es nur kommen, dass die Menschen so schnell Gott vergessen konnten? Dass sie sich lustig machen über das Bisherige und sich nun selbstbewusst und emanzipiert einem Do-it-yourself-Gott zuwenden? Mose wird nun selbst zum Gebotsübertreter. Er stifte die Angehörigen des Stammes Levi an, gegen die Kalbanbeter das Schwert zu erheben. Am Ende gibt es 3000 Tote. Jetzt hatte Mose versagt. 

 Mose ist verzweifelt. Um Gottes Gebot willen, hat er gegen Gottes Gebot verstoßen. Mose ist nicht nur von seinem Volk enttäuscht, sondern auch von sich selbst. Er braucht jetzt nur eines: die Erfahrung, dass Gott ihn nicht verlässt. Und so spricht Mose in die scheinbare Leere seines Lebens hinein: 18 […] Lass mich deine Herrlichkeit sehen! 19 Und der Herr sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des Herrn: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. 20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 21 Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen […]. 

Gott erscheint Mose. Er zeigt sich ihm, so dass Mose spürt: ich bin nicht von Gott verlassen. Entscheidend aber ist, wie sich Gott dem Mose zeigt. Zuerst voller Güte. Eine Güte, die Mose vorher nicht hat walten lassen. Und dann behutsam. „Siehe, es ist ein Raum bei mir.“ Das klingt wie eine liebevolle Einladung. Und ist es auch. Das muss man sich einmal vorstellen: wir haben einen Raum, einen Unterschlupf, einen Rückzugsort bei Gott. 

Für Mose war diese Erfahrung wie ein Fest. Er bekommt neue Kraft. Er kann sich wieder aufmachen mit den Israeliten. Die Wüste liegt zwar vor ihnen. Aber hinter der Wüste kommt das Land der Verheißung. Mose weiß nun, dass sie es erreichen werden. Mit Gott, der sich in unserem Leben zeigt. 

Diese Erfahrung hat lange vor Mose schon Hagar gemacht. Dass Gott ein Gott ist, der sich zeigt. Hagar war die Leibmagd von Sara, also eine Art Sklavin. 

Nun war es so, dass Abraham und Sara keine Kinder bekommen konnten. Das war für die beiden nicht nur ein persönlicher Schicksalsschlag, sondern auch eine wirtschaftliche Katastrophe. Wer sollte sie im Alter einmal versorgen? Abraham und Sara tun daher, was man zu ihrer Zeit tat: eine Leihmutter muss her. Abraham bekommt nun anstatt mit Sara mit Hagar ein Kind, das aber rechtlich das Kind von Abraham und Sara ist. 

Aber das ist schwieriger als es ohnehin schon klingt. Hagar lässt es nämlich Sara spüren, dass sie im Gegensatz zu ihrer Chefin schwanger werden kann. Sara wiederum lässt Hagar spüren, dass sie die Chefin ist. Und Abraham hält sich unglücklicherweise ganz aus der ganzen Sache heraus. Sara drangsaliert Hagar. Darauf flieht die schwangere Hagar Hals über Kopf in die Wüste. 

Hagar flieht wahrscheinlich nach Ägypten. Denn als ägyptische Sklavin wird sie uns im 1. Buch Mose vorstellt. Was für eine Ironie des Schicksals. Während mit Mose die Israeliten aus Ägyptenland fliehen, versucht Hagar wiederum zurück in ihre alte Heimat Ägypten zu fliehen. Aber so weit kommt es nicht. Ein Engel des Herrn findet sie und fordert sie auf, zurückzukehren; zurückzukehren in diese unmögliche Situation. Aber er verspricht Hagar zu deren Überraschung – und das ist sehr bemerkenswert –, dass ihre Nachkommen zahlreich werden würden. Das bisher nur Abraham und Sara gegebene Versprechen wird also auf Hagar, die ägyptische Magd ausgeweitet. 

Damit ist ein Wunder geschehen. Aus der zur Leihmutter degradierten Hagar ist die Ahnfrau eines eigenen Volkes geworden. Das Kind in Hagars Leib ist zu ihrem Kind geworden. Aber das Wunder geht noch weiter. Auch Sara wird später sich eines eigenen Kindes erfreuen. Wo Gott erscheint, wird das Leben zum Fest. 

Hagar erlebt jetzt schon, was Mose später erleben wird: Gott zeigt sich. Und so ruft die ägyptische Magd als gleichsam weiblicher Mose aus: „Du bist ein Gott, der sich zeigt.“ Dieser Satz aus dem Munde Hagars ist unsere Jahreslosung. Und richtig, die Jahreslosung lautet eigentlich „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Aber beide Übersetzungen sind möglich. iii) Denn Beides gehört zusammen: Gott sieht mich, aber er beobachtet mich nicht heimlich. Er sieht mich und lässt sich sehen. Er lässt sich wahrnehmen in meinem Leben. Er schaut nicht nur zu, er tut auch etwas. Wo Gott erscheint, wird unser Leben zum Fest. Wir haben das Evangelium dieses Sonntags noch im Ohr. Jesus auf der Hochzeit zu Kana. Wie er aus Wasser Wein werden lässt und das Leben buchstäblich zum Fest macht. Gehen wir in das neue Jahr und durch das neue Jahr mit der Gewissheit, dass sich uns Gott zeigt. Immer wieder. Und schmecken wir hernach bei der Feier des Heiligen Abendmahles dem Fest nach, das Gott mit uns feiern will. Ein besseres Geleit kann es nicht geben.

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

i) Ein Gedanke von JUTTA NOETZEL, GPM 77 (2022), S. 100.
ii) JUTTA NOETZEL, GPM 77 (2022), S. 101.
iii) Der masoretische Text der hebräischen Bibel spricht vom „Gott der Erscheinung“ (mit Substantiv) אֵ֣ל רֳ אִ֑י . Die Lutherübersetzung folgt hier dem Samaritanischen Pentateuch, der vom „Gott, der sieht“ (mit Partizip) spricht: .ראה

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