Sie sind beste Freunde, seit zwölf Jahren. So erzählt es eine Zeitung vor einigen Tagen. Zwölf Jahre alt sind die beiden Jungen in einer Kleinstadt in China. Sie wohnen in Häusern nebeneinander. Und seit zwölf Jahren teilen sie alles miteinander. Auch die Krankheit. Einer der beiden Jungs kann kaum laufen, er hat eine Muskelschwäche. Der andere Junge ist kräftig.
Man mag es nicht glauben, worüber der kräftige Junge bisher nie geredet hat: Seit sechs Jahren, seit Beginn ihrer Schulzeit, trägt er seinen Freund von Zuhause bis zur Schule. Und mittags dann wieder heim. Auf dem Rücken. Auch viele Stufen im Schulgebäude hoch und runter. Ich wiege vierzig Kilo, sagt der kräftige Junge, mein Freund fünfundzwanzig Kilo. Darum mache ich das. Seit sechs Jahren. Jeden Schultag. Und wenn er groß ist, sagt der kräftige Junge, will er einmal etwas für Menschen machen, möchte für andere arbeiten. Das sagt er mit zwölf. Ein Wunder.
Der Mensch ist ein Wunder, manchmal. Er kann bitter und sehr böse sein. Er kann verletzen und zerstören. Er kann einreißen und vernichten. Er kann sein Herz verschließen und nur an sich denken. Das alles ist wahr.
Er kann aber auch anders sein. Nämlich ein Wunder für andere. Er kann trösten. Sogar heilen. Er kann lieben, anderen nahe sein und bleiben. Und selbst die Menschen, die es nicht leicht haben mit sich selbst – ihrem Körper oder ihrer Seele – können andere noch aufheitern oder ermutigen.
Der Mensch kann ein Wunder sein. Ein Wunder an Güte, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Dann muss man nicht lange nach Gott fragen. Da ist Gott ja mittendrin. Wo ein Mensch anderen eine Last abnimmt, ist Gott mitten unter ihnen. Wo eine Schmerzen und Sorgen anderer erkennt und sich nicht abwendet, ist Gott ganz nahe.
Wir können manches nicht ändern und haben viele Fragen an Gott, vor allem in dieser Leidenswoche. Warum musste Jesus leiden? Warum musste er überhaupt sterben? Fragen, auf die es manchmal Antworten gibt. Aber auch Antworten, die nicht immer überzeugen. Konnte Gott nicht auch anders? Könnte Gott nicht immer auch anders, als mit Leid und Krankheiten? Das sind offene Fragen mit immer sehr zerbrechlichen Antworten. Was uns heute einleuchtet, kann uns morgen schon wieder verstören oder verängstigen. Muss Gott immer so handeln oder eingreifen, wie es uns scheint? Wir müssen mit solchen Fragen leben, oft ohne eine Antwort.
Eine Antwort aber gibt es immer: Der Mensch kann ein Wunder sein. Ein Wunder an Mitempfinden, an Mitgefühl. In solch weiten Herzen wohnt Gott.
(Foto domradio.de Text F.Müller nach @buhv.de)