Die kalte Jahreszeit geht endgültig vorüber, auch im hohen Norden und dem Baltikum wärmen die langen Tage die Gemüter. Zur astronomischen Sonnenwende am 21. Juni feiern viele europäische Länder diesen Wandel der Natur mit uralten germanischen, aber auch christlichen Bräuchen. Ein Fest des Lichts und des bevorstehenden Sommers, des aufblühenden Lebens und des Neubeginns. Während in den Alpen imposante Feuer von den Bergen leuchten, werden im Flachland haushohe Holzstapel zum Brennen gebracht, und im skandinavischen Raum wird zu traditionellen Liedern rund um den Midsommarbaum in die helle Nacht getanzt. Zum längsten Tag des Jahres geht in Norwegen, Schweden, Finnland, aber auch in Estland und Lettland die Sonne nur kurz unter, es wird kaum richtig dunkel, und die aus St. Petersburg bekannten „weißen Nächte“ erhellen auch die Nordländer.
Während Südtiroler und Österreicher schon am frühen Vormittag auf die höchsten Berggipfel steigen, dort mit Fackeln verschiedenste Figuren in den letzten verbleibenden Schnee stecken, um sie bei Dämmerungsanbruch zu entzünden, bereiten die Nachfahren der Wikinger schon am Freitag vor dem großen Fest den ganzen Tag über geflochtene Blumenkränze vor und binden bunte Bänder um aufgestellte Baumstämme.
Nach den Weihnachtsfeiertagen ist das Mittsommerfest oder auch der „midsommar“ das bedeutendste Ereignis im Kalender der Skandinavier. Für viele beginnt dann der fünfwöchige Jahresurlaub, in dem es die Bevölkerung raus aus den Städten aufs Land zieht. Eine Legende besagt, daß junge Mädchen sieben verschiedene Wiesenblumen pflücken und in der Sonnwendnacht unter ihr Kopfkissen legen sollten, dann würde ihnen im Traum ihr künftiger Ehemann erscheinen. Das allerdings nur, wenn sie beim Pflücken absolut still waren und auch später niemandem davon erzählen.
Christliche und heidnische Bräuche dicht beieinander
So ist Mittsommer ein Fest, dem auch zur heutigen Zeit noch ein Zauber innewohnt und das sogar gesetzlich immer an dem Samstag gefeiert wird, der zwischen dem 20. und dem 26. Juni liegt. Für die Schweden ist die Pflege der alten Traditionen eine Selbstverständlichkeit, und sie tanzen auch spät abends noch gemeinsam um die „majstäng“, den bekränzten Baumstamm – genau wie in alten Zeiten. Maj hat hier nichts mit dem Monat Mai zu tun, sondern geht auf das altertümliche Verb maja („mit Blumen schmücken“) zurück‘. Entgegen der landesweiten Empfehlung, die gehißten schwedischen Flaggen spätestens zum Sonnenuntergang einzuholen, wird sie an diesem langen Tag oftmals die ganze Nacht stolz oben am Fahnenmast wehen gelassen — nicht zuletzt weil die Sonne mancherorts einfach nicht untergeht.
Ein mystischer und hochtraditioneller Tag ist die Sommersonnenwende auch im deutschsprachigen Raum, wo nach alten germanischen und heidnischen Bräuchen kleine Räucherfeuer in den Häusern aufgestellt werden, um böse Geister zu vertreiben und um die gute Sommerzeit zu begrüßen. In nahezu jeder Ortschaft wird auf freien Wiesen und Feldern oder am Hauptplatz zu Dämmerungsbeginn ein großes Feuer entzündet und nachdem es niedergebrannt ist über die heiße Glut gesprungen. Dabei reichen sich Paare die Hände und rufen einen Wunsch in die Nacht, der so in Erfüllung gehen soll. Die Erfüllung des Wunsches ist umso wahrscheinlicher, so besagt es zumindest der Aberglaube, je mehr Personen gleichzeitig über das Feuer springen.
Im alemannischen Raum wird die Sonnwendfeier eng mit dem christlichen Johannesfest am 24. Juni verbunden. Die Feiernden tanzen um ein sogenanntes Würzfeuer, das Dämonen und Krankheiten abhalten soll. Oft wird auch ein Holzrad entflammt, das symbolisch für die Sonne steht. Ähnlich, nur ohne christlichen Hintergrund, begehen auch die Slawen den längsten Tag im Jahr. Während sich die Mädchen gelbe Blumenkränze ins Haar flechten, stellen ältere Generationen Kerzen in den Innenhöfen ihrer Wohnhäuser auf, um so dem beginnenden Sommer noch mehr Kraft zu verleihen.
Die größte nicht zentral organisierte Sonnwendfeier Europas findet jährlich übrigens in England rund um den sagenumwobenen Ort Stonehenge statt. Die südlichste hingegen im spanischen Alicante, wo alte keltische Bräuche mit dem christlichen Fest von Johannes dem Täufer kombiniert werden.
(foto reiseidylle.de 2 fotos fm text fm nach jf verena rosenkranz)