Dekan Dr. Matthias Büttner

„allerorten ist Dein Tempel“ | Predigt zu Kantate in St. Gumbertus (Ansbach)

„allerorten ist Dein Tempel“
Predigt zu Off 15,2-4
Kantate, 28. April 2024
St. Gumbertus, Ansbach

Liebe Gemeinde!

In den Gottesdiensten der schwarzen Sklaven während des amerikanischen Bürgerkriegs gab es ein Freiheitslied mit dem Titel „No more auction block“, „keine Auktionsbühne mehr“. Die Auktionsbühne war der zentrale Ort des Sklavenhandels. Hier wurden Erwachsene und auch Kinder zum Verkauf feilgeboten, musste sich begaffen lassen und wie eine Ware erwerben oder eben nicht erwerben lassen.

In dem Freiheitslied in den Gottesdiensten der schwarzen Sklaven sang ein Vorsänger oder eine Vorsängerin: keine Auktionsbühne mehr. Und die Gemeinde antwortet ebenfalls singend: no more, nie mehr. Die Vorsängerin sang: keine Peitschenhiebe mehr. Und die Gemeinde: nie mehr. Keine Sklavenketten mehr. Nie mehr. So sangen sich die schwarzen Sklaven in die Wirklichkeit ihrer Freiheit hinein, noch bevor diese erreicht war.i

Unsere Lebenswelt ist eine andere als die der schwarzen Sklaven von damals. Aber auch wir singen uns in unseren Gottesdiensten in eine Freiheit hinein, die uns noch nicht erreicht hat. Die Freiheit von den Lasten dieses Lebens, die Freiheit vom Bösen in dieser Welt, die Freiheit vom Tod. Und ganz besonders tun wir das heute am Sonntag Kantate.

Franz Schubert, dessen Deutscher Messe wir heute lauschen, hat sich zu seinen Lebzeiten in eine Berühmtheit hineinkomponiert, die er erst nach seinem Tod bekommen sollte. In den gerade einmal 31 Jahren seines Lebens komponierte er 600 weltliche und geistliche Lieder, sieben vollständige Sinfonien und fünf unvollendete und vieles mehr. Es heißt, Schubert sei mit seiner Brille auf der Nase ins Bett gegangen, damit er am folgenden Morgen sofort wieder mit dem Komponieren beginnen konnte.ii

In der Johannesoffenbarung, dem letzten Buch in der Bibel und zugleich rätselhaftesten, gibt es auch einen Gesang, der sich in die Wirklichkeit einer Freiheit hineinsingt, noch bevor diese erreicht war. Das Lied stammt aus der Zeit der Christenverfolgung im Römischen Reich. Für die Christen damals war Rom nichts anderes als ein wildes, gefräßiges Tier, das sie zu verschlingen suchte und oft auch verschlang. Und so geht das Lied: 2Und ich sah, wie sich ein gläsernes Meer mit Feuer vermengte, und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen 3und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott!

Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. 4Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine Urteile sind offenbar geworden.

Es ist das Lied von Menschen, die eine Wirklichkeit herbeisingen, die noch in weiter Ferne liegt. Es ist das Loblied von Überwindern, die singen, noch bevor das Böse überwunden ist.

Kein wildes, gefräßiges Tier. Nie mehr! Dafür das Meer, das zur Ruhe gekommen ist, gläsern erscheint und ungefährlich geworden ist. Sogar Feuer und Wasser sind keine Feinde mehr. Nie mehr! Es ist das Lied von Moses. Und zugleich von Jesus. Also auch keine Trennung mehr von Mose und Jesus, von Juden und Christen. Nie mehr! Und Gott ist der König der Völker. Ein wundermächtiger, großartiger König und kein boshafter Despot. Nie mehr!

Es ist das große Geheimnis der Freiheit, das große Geheimnis der Erlösung: von der Freiheit und von der Erlösung zu singen, noch bevor sie vollumfänglich da sind. Also Gottes Sieg über das Böse und den Tod besingen: und dann vor dem Bösen und dem Tod keine Angst mehr haben müssen. Nie mehr!

Als der Apostel Paulus und sein Assistent Silas unverschuldet im Gefängnis landen, singen und beten sie um Mitternacht so laut, dass alle Mitgefangenen sie hören können. Da geschah ein großes Erdbeben und die Türen öffneten sich und die Fesseln fielen von ihren Füßen. (Apg 16,16ff.) Paulus und Silas singen und loben Gott noch bevor sie in die Freiheit geführt werden. Keine Gefängnismauern mehr. Nie mehr! Keine Fesseln mehr. Nie mehr!

Auch wir stimmen heute in diesen Gesang ein. In den Gesang der schwarzen Sklaven mit ihrem „nie mehr“. In den Gesang von Paulus und Silas, der sie aus dem Gefängnis führte. Und in den Gesang der Überwinder aus der Johannesoffenbarung, die singen noch bevor alles überwunden war. Denn Gott hat unzählige stille Wege, auf denen er möglich macht, was unmöglich scheint. Gestern war noch nichts sichtbar, heute nicht viel, aber morgen steht es vollendet da, und nun erst merken wir rückblickend, was Gott getan hat.

Das ist Grund genug, jetzt schon zu singen. Und auf die so herrlich durch Franz Schubert vertonten Worte zu lauschen:

Herr, Du hast mein Fleh’n vernommen, selig pocht’s in meiner Brust;
in die Welt hinaus in’s Leben folgt mir nun des Himmelslust.
dort auch bist ja Du mir nahe, überall und jederzeit,
allerorten ist Dein Tempel, wo das Herz sich fromm Dir weiht.


i Jan-Dirk Döhling, GPM 78 (2024), S. 265f.

ii https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Schubert [abgerufen am 23.04.2024]

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

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