Eins“
Predigt zu 1.700 Jahre Nizänum
Misericordias Domini, 4. Mai 2025
St. Johannis, Ansbach
Teil 1 (allgemein),
Im Neuen Testament wird Jesus immer wieder mit Gott identifiziert. Jesus ist Gott, so heißt es ein-mal im Johannesevangelium (1,18): Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt. Darüber hinaus findet sich durchgängig das Bekennt-nis zu Jesus als dem „Herrn“. Im Griechischen, der Sprache des Neuen Testaments, steht für „Herr“ kyrios. Und mit kyrios wird in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments der Gottesname Jhwh wiedergegeben.
Das wirft nun ein entscheidendes Problem auf. Wenn der Gott Israels Gott ist und – vereinfacht ge-sprochen – Jesus auch: gibt es dann zwei Götter? Oder zwei Erscheinungsformen eines Gottes? Die Griechen und Römer hätten damit kein Problem gehabt. Aber die aus dem Judentum herausge-wachsenen Christen sehr wohl. Israel bekennt sich zu dem einen Gott, neben dem es keine ande-ren Götter gibt.
Die junge Christenheit stand also vor der Frage, wie ihr Bekenntnis zu Christus, der mehr als ein Prophet wie Mose oder Elia war, mit ihrem Glauben an den einen Gott vereinbar ist. Die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes gibt darauf Antwort. Und diese Lehre taucht das erste Mal im sogenannten Nizänum. Das Nizänum, also ein Glaubensbekenntnis, ist das Ergebnis des Konzils von Nicäa und stammt aus dem Jahr 325. Es wird also in diesem Jahr 1.700 Jahre alt.
Das Nizänum ist nicht zu verwechseln mit dem Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Dieses Glaubensbekenntnis, das auch in unserem Gesangbuch zu finden ist und häufig bei Gottes-diensten an den hohen Feiertagen zum Einsatz kommt, ist gut 120 Jahre später entstanden.
Die Herkunft des Nizänum liegt im Dunkeln. Sicher ist, dass es bei diesem Konzil im Jahre 325 nicht auf der Basis einer älteren Vorlage formuliert wurde. Es ist also wohl das früheste Glaubensbe-kenntnis, dass sich die Kirche gegeben hat – bzw. das der Kirche gegeben wurde. Es ist bis heute zugleich das am meisten anerkannte Bekenntnis der ganzen Christenheit.
Und das sagt die Lehre von der Dreieinigkeit: dass Gott, der die Welt erschaffen hat, derselbe eine Gott ist, der uns in Christus versöhnte und auch in der Gabe des Heiligen Geistes unser Herr ist und bleibt. Das Nizänum ist gemäß der Lehre von der Dreieinigkeit dreigeteilt: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Damit war das Alleinstellungsmerkmal des christlichen Glaubens formuliert: der Glaube an den dreieinigen Gott. Das Alleinstellungsmerkmal des Glaubens Israels, des jüdischen Glaubens war und ist der unsichtbare und bildlos zu verehrende Gott. Dazu kam für die Christenheit nun noch die Dreieinigkeit dieses Gottes. Im Nizänum wurde das erstmals formuliert.
Teil 2 (1. und 2. Artikel des Nizänum)
Der erste Satz der Bibel lautet: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer. Die Übersetzung „wüst und leer“ ist missverständlich. Das hebräische Wort an dieser Stelle bedeutet Leere. Das heißt: am Anfang war nichts. Gott schuf die Welt aus dem Nichts. Diese Glau-benslehre unterscheidet sich von allen anderen Schöpfungserzählungen, die die verschiedenen Religionen kennen. Denn in diesen ist es meist ein Götterkampf oder dergleichen, aus dem die Er-schaffung der Welt hervorgeht. So etwa erschafft nach dem Gilgamesch Epos der babylonische Gott Marduk die Erde aus dem Körper der niedergekämpften Göttin Tiamat. Ganz anders das Alte Testament: Gott hat die Welt aus dem Nichts erschaffen. Wie wenn die alten Israeliten schon die Urknall-Theorie gekannt hätten.
Aber was ist mit Jesus Christus? Im 1. Korintherbrief heißt es (8,6): Wir haben einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind. Und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind. Demnach exis-tiert Gott Vater in Wesenseinheit mit dem Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit. Mensch geworden ist der Sohn im Jahre 0. Aber vorher und nachher lebt er in der Einheit des Vaters und des Sohnes.
Aus diesem Grund betont das Nizänum, dass der Sohn aus dem Wesen des Vaters ist und dass er darum nicht geschaffen ist, sondern eines Wesens mit dem Vater ist. Die ursprünglich griechischen Begriffe des Nizänum sind nicht so einfach mit deutschen Begriffen wiederzugeben. Es ist der Ver-such, die Dreieinigkeit Gottes zu denken. Eine der vielleicht größten intellektuellen Leistungen, zu der die Menschheit je fähig war.
Teil 3 (3. Artikel des Nizänum)
Vater, Sohn, Heiliger Geist. Gott, der die Welt erschaffen hat, ist derselbe eine Gott, der uns in Christus versöhnte und in der Gabe des Heiligen Geistes unser Herr ist und bleibt.
Diese Grundlage schuf das Nizänum. Den Heiligen Geist nennt es nur in einem Satz: Und an den Heiligen Geist – ich ergänze: glauben wir. Wir glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist.
Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren.
Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater (homoousion to patri); durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist; der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist, Mensch geworden ist, gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist, aufgestiegen ist zum Himmel, kommen wird um die Lebenden und die Toten zu richten;
Und an den Heiligen Geist.
Woher kommt nun der Heilige Geist? Im Alten Testament ist vom Geist Gottes als dem Lebensprin-zip schlechthin die Rede, das der Erschaffung der Welt zugrunde liegt.
Im Neuen Testament sagt Jesus mit Blick auf das Ende seiner Zeit auf Erden (Joh 14,26): Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Damit schließt sich der Kreis: Gott erschuf die Welt und hauchte ihr seinen Lebensgeist ein. In Je-sus Christus wird Gott Mensch und holt neben dem Volk Israel nun auch die ganze Menschheit zu sich. Nach Jesu Rückkehr zum Vater sendet er den Heiligen Geist. Im Heiligen Geist ist Gott, ob-wohl er der außerhalb von Raum und Zeit lebende Gott ist, ganz nah bei uns.
Das griechische Wort für diesen Heiligen Geist im Johannesevangelium übersetzt Luther mit „Trös-ter“. Man könnte es auch mit Beistand oder Fürsprecher übersetzen. In jedem Fall ist gemeint, dass Gott im Heiligen Geist ganz nah ist. Luthers Übersetzung mit Tröster also ist ein schönes Wort für diese Nähe.
Vom Tröster ist es dann auch nicht weit zum Bekenntnis der schottischen Kommunität Iona: Gott unsere Mutter.
DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH