„Die gute Botschaft“
Predigt zu Röm 11,25-33
Tag der Berufung des Apostels Paulus, 25. Januar 2025
St. Gumbertus Ansbach
Liebe Gemeinde,
Heute am Tag der Berufung des Apostels Paulus wollen wir einmal genauer nachsehen, wer dieser Paulus überhaupt war. Aber verraten kann ich jetzt schon, dass wir seine Bedeutung für uns gar nicht überschätzen können. Und: dass wir heute noch einmal weihnachtliche Weise hören, ja überhaupt Weihnachten feiern, das haben wir letztlich ihm, Paulus zu verdanken.
Was die Berufung des Paulus zum Apostel betrifft, kennen wir vielleicht seine Berufungsgeschichte. Etwa drei Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung, so berichtet es Paulus selbst, erscheint ihm der auferstandene Christus – und verändert sein Leben grundlegend. Vom Verfolger der noch jungen und kleinen Christenheit wird er zum Begründer eines über das Judentum hinausgehenden Christentums.
Warum aber zunächst Verfolger? Paulus stammte aus einer Stadt, die in der heutigen Südost-Türkei lag, nicht weit weg von Syrien. Die Familie lebte also in der sogenannten Diaspora: als Juden unter griechisch sprechenden Menschen mit griechisch-orientalischem Glauben. Aus diesem Grund war Paulus auch der griechischen Sprache mächtig und hatte wahrscheinlich auch Ahnung von griechischer Rhetorik und Philosophie. Paulus besaß das römische Bürgerrecht, was durchaus eine Besonderheit darstellte. Aber in erster Linie war Paulus Angehöriger der Pharisäer, also hochengagierter Laientheologen, die auch stets die Nähe zu Jesus suchten und sich mit ihm aber auch stritten. Besonders an Paulus war, dass er in Jerusalem von berühmten Gelehrten unterrichtet wurde. Der Punkt bei ihm war, dass er zunächst nicht verstehen konnte, wie der Tod Jesu am Kreuz als etwas Heilvollesangesehen werden konnte. Daher verfolgte er die Christusgläubigen mit aller Kraft.
Dann begegnet ihm der Auferstandene, und Paulus beginnt seine Missionstätigkeit mit vielen Reisen, die ihn auch nach Griechenland und damit nach Europa bringen. Bei dieser Tätigkeit kommt er immer wieder in Konflikt mit anderen Aposteln, v.a. mit Petrus. Diese waren nämlich der Ansicht, dass ein Heide erst Jude werden müsste und dann erst Christ werden könnte. Für Petrus war also ein Christentum außerhalb des Judentums nicht denkbar. Paulus war aber der Meinung, dass ein Heide gleich Christ werden könnte. Dazu kam die Entwicklung, dass viele Juden sich überhaupt nicht von diesem Christus angesprochen fühlten – ganz im Gegensatz von vielen Heiden, die auf den verkündigten Christus sehr offen reagierten.
Damit ist der Konflikt da. Vormalige Heiden werden Christen und verehren über jenen Christus sozusagen als Neugläubige den Gott Israels. Und die „altgläubigen“ Juden können damit wenig anfangen und ärgern sich darüber, dass auf einmal zunehmend Menschen an ihren Gott, den Gott Israels glauben – allerdings ohne Juden zu werden.
Paulus versteht auch zunächst nicht, warum sich der Gott Israels in seinem Sohn allen Menschen zuwendet, aber das ursprüngliche Volk Gottes, das Volk Israel, die Juden, zu denen ja auch er, Paulus gehört, diesen Jesus ablehnt. Es könnte doch so schön! Der Jude Jesus und die Juden. Und die Heidenvölker gehören jetzt auch dazu. Sozusagen alle zusammen.
Aber dann findet Paulus, und das macht ihn für immer wirklich zum Supertheologen, die Erklärung. Und er schreibt sie auf in seinem letzten Brief, dem an die Gemeinde in Rom, der auch sein theologisches Vermächtnis geworden ist: 25 Ich will euch, Brüder und Schwestern, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist. 26 Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): „Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob. 27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.“ 28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.
30 Denn wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. 33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte [Entscheidungen] und unerforschlich seine Wege!
Paulus begegnet uns hier an einem Scheidepunkt, an dem die Wege von Juden und Christen, von Synagoge und Kirche auseinander gehen werden. Er weiß es noch nicht. Aber er ahnt es. Und was er erst recht nicht wissen konnte: welches unsagbare Leid die Christen einmal den Juden zufügen werden. Jetzt versteht Paulus erst einmal nicht, weshalb diese Wege auseinander gehen müssen, wo es doch einen unbestreitbaren Zusammenhang gibt zwischen den Juden und dem Juden Jesus Christus.
Aber dann erkennt Paulus: Dass ausgerechnet die Juden Jesus Christus nicht als den Sohn Gottes bekennen, ist weder Zufall noch Widerspruch, sondern es musste einen Sinn haben, es musste in Gottes Wille eingeschlossen sein. Und so kommt er zu dem grandiosen Schluss, dass durch die jüdische Ablehnung der christlichen Botschaft, das Wort von Jesus Christus erst die anderen Völker erreichen konnte. Es wäre absurd, anzunehmen, Gott habe sein Volk verstoßen oder dieses Volk wäre ungehorsam. Vielmehr wird durch diese jüdische Ablehnung Israel einmal mehr zum Heil der Völker. Hätten die Juden damals Jesus als ihren Herrn und Heiland angenommen, die Sache Jesu wäre eine rein innerjüdische geblieben – und wahrscheinlich in Vergessenheit geraten. Und wir hier hätten uns vor vier Wochen an keltischen Hügelgräbern zu Wintersonnwendfeiern versammelt, anstatt Weihnachten zu feiern.
Weihnachten heißt: Gott wird Mensch; und wir Menschen kommen dadurch zu Gott, dem Gott Israels durch den Juden Jesus. Es ist wie eine doppelte Staatsbürgerschaft. Zu unserer irdischen kommt durch die Geburt Christi eine himmlische Staatsbürgerschaft für uns dazu. Wer zwei Staatsbürgerschaften hat, ist freier. Umso mehr gilt das für diese zweite himmlische Staatsbürgerschaft. Und wir hören die Botschaft: Fürchtet euch nicht. Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.
Christus ist geboren. Gott kommt in die Welt. Es wird wieder licht.
DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH