Pfarrers Kinder, Müllers Vieh…

„… geraten selten oder nie… wenn sie aber mal geraten, erzählt die Welt von ihren Taten!“

Nicht nur der Nihilist Friedrich Nietzsche stammt aus einem evangelischen Pfarrhaus. Große Dichter und Denker waren Pfarrerskinder, wie zum Beispiel Gotthold Ephraim Lessing, Hermann Hesse, Albert Schweizer und andere.

In evangelischen Pfarrhäusern sind politische und gesellschaftliche Veränderungen oft lebhaft diskutiert worden. In freier Meinungsbildung ist dort eine Kultur der Debatte eingeübt worden. Gerade in der jüngsten deutschen Vergangenheit, in der sozialistischen ehemaligen DDR, hatten im Pfarrhaus Gedanken-, Meinungs- und Diskussionsfreiheit eine authentische christlich gutbürgerliche Lebensführung bei vielen Pfarrerskindern ermöglicht. Diese Freiräume der Pfarrhäuser haben ihre bedeutende Rolle bei der friedlichen Revolution 1989 gespielt. Ähnliche Erfahrungen haben auch Menschen anderer Epochen mit der besonderen Atmosphäre der evangelischen Pfarrhäuser gemacht.

Alles beginnt mit Luther. Er und seine Frau sind das Ur- und Vorbild der Pfarrersfamilie. 1525 trat der Reformator Martin Luther mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora in den Stand der Ehe. Am Abend des 13. Juni 1525 vollzog der Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen die Trauung in Luthers Wohnung. Vierzehn Tage später fand die Hochzeitsfeier statt, die mit einem öffentlichen Kirchgang verbunden war. Diese Eheschließung war damals ein Skandal und ein politischer Akt im Rahmen der Reformation der Kirche: ein Ordensmann, ein Pfarrer, heiratete eine ehemalige Nonne! Kein Zwangszölibat mehr – das wurde zum Ausdruck protestantischer Freiheit und zählte zu den nach außen sichtbarsten Forderungen der reformatorischen Bewegung. Mit Luthers Forderung nach der Möglichkeit der Verheiratung von Pfarrern wurde ein ganz neues Seelsorger- Konzept geschaffen. Dass der Pfarrer in der Gemeinde wohnen und einen weltlichen Haushalt führen sollte, zählte nun zu den Aufgaben des nun funktional und nicht mehr sakramental verstandenen Pfarramtes. Die öffentlich inszenierten Eheschließungen wurden in Wittenberg und anderenorts als Bekenntnis zur evangelischen Lehre fortgesetzt. Bald gab es in den Fürstentümern und Städten, sie sich zur Reformation der Kirche an „Haupt und Gliedern“ bekannten kaum noch unverheiratete Seelsorger. Bis heute wird die Eheschließung Luthers in Wittenberg mit einem großen Stadtfest nachgespielt und gefeiert.

In seiner Schrift „Der kleine Katechismus“ von 1529 gab Luther Punkte an, die dem Hausvater und seiner Familie Orientierung boten. In der Hausgemeinschaft sollte die christliche Unterweisung erfolgen und der Glaube durch Tischrituale, Gesang, Gebet und Unterricht regelrecht eingeübt werden. Das gesamte Haus und seine Bewohner wurden für die Weitergabe des Evangeliums in den Dienst genommen – die Religion sollte im Alltag ihre Lebensbedeutung zurückbekommen, für jeden nachvollziehbar, nicht nur für den Klerus. Kein Mensch braucht, so die Grundüberlegung Luthers, die Vermittlung zu Gott durch geweihte Priester, jeder kann sich direkt an ihn wenden, darf selbst in der Bibel lesen – und seine eigenen Schlüsse ziehen.

Das Pfarrhaus, meist ja auch ein größerer Familienverbund, machte es vor. Seit dem 16. und 17 Jahrhundert entwickelten die Pfarrhäuser dadurch eine geistige Prägekraft. Die evangelischen Pfarrersfamilien legten Wert darauf, dass ihre Kinder, auch die Mädchen, zur Schule gingen. Die Buben erhielten in der Mehrzahl eine akademische Bildung, mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit wurden auch die Pfarrerssöhne wiederum Seelsorger.

Friedrich Schleiermacher entwickelte später eine neue Vorstellung von christlicher Frömmigkeit. Nach Schleiermacher ist Religion von Natur her gesellig. Sie will sich anderen mitteilen und sucht Ergänzung. Die Gemeinde gleiche deshalb – im Idealfall – einem vielstimmigen Chor, in dem jeder sein Bestes gebe und alles harmonisch zusammen klinge. Das Leben in einer evangelischen Pfarrfamilie hat sich mit der Zeit gewandelt vom Idealbild evangelischer Frömmigkeit hin zu einem Spiegel gesellschaftlicher Realität.
Die Geschichte katholischer Pfarrerskinder muss aber noch geschrieben werden.

(foto vohwinkel.net text fm)

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