Dekan Dr. Matthias Büttner

 „Gott im Unglück“, Predigt zu Hi 2, 1-13, Invokavit, 26. Februar 2023

 „Gott im Unglück“ 
Predigt zu Hi 2,1-13 
Invokavit, 26. Februar 2023 
Ansbach-Hennenbach

Liebe Gemeinde! 

Das Predigtwort für diesen ersten Sonntag der Passionszeit steht im Buch Hiob im 2. Kapitel: 1 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den HERRN trat. 2 Da sprach der HERR zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. 3 Der HERR sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an sei-ner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben. 4 Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. 5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht flu-chen! 6 Der HERR sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben! 7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. 8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. 9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! 10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. 11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten. 12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt 13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war. 

Die Hiob-Geschichte: sie ist ganz, ganz großes biblisches Kino. Sie hat die Weltliteratur wie Goethes Faust ebenso geprägt wie das einfache Sprichwort (Hiobsbotschaft). Und das ist kein Wunder. Denn das Thema des Buches Hiob trifft uns alle mitten ins Mark. Wie ist das mit dem Unglück, dem ich im Leben zuweilen ausgesetzt bin: woher kommt es; schickt es mir Gott; bin ich in irgendeiner Weise Schuld? 

Dass diese Frage keine banale ist, sondern eine Art von Weltenrätsel ist, das zeigt der Anfang der Geschichte, die im Buch Hiob erzählt wird; wir haben es eben gehört. Die Szenerie ist merkwürdig und passt im Grunde gar nicht mit dem zusammen, was wir von Gott denken oder glauben. 

Da tagt ein rätselhafter himmlischer Hofstaat mit sogenannten Gottessöhnen und anderen Wesen unter dem Vorsitz Gottes. Woher kommt diese Vorstellung? Wieso beginnt das Buch Hiob ausgerechnet damit? Im Alten Orient glaubten die Menschen an viele verschiedene Gottheiten und stellten sich das so vor, dass es daher Götterversammlungen geben müsse, wo sich diese miteinander berieten. Eine solche Vorstellung war natürlich mit dem Ein-Gott-Glauben Israels nicht vereinbar. 

Dennoch wollte man sie aufnehmen. Und so wurden aus den Göttern himmlische Wesen, die Gott unterstanden. 

Zu diesen Wesen gehört auch Satan. Doch dieser Satan aus dem Buch Hiob hat mit dem, was man hierzulande unter dem sogenannten Teufel versteht, so gut wie nichts zu tun. Übrigens ist der Begriff „Satan“ auch kein Name, sondern eine Amtsbezeichnung. Er wird uns im Buch Hiob wie ein Inspektor, wie ein Aufseher vorgestellt. Das passt wiederum in die Welt des damaligen Alten Orients. Es ist die Zeit des persischen Großreiches. Und da gab es für dieses riesige Reich einen Reichsinspektor, der durch die Lande zog und dem König Bericht erstattete. 

Das ist exakt auch die Aufgabe des Satan hier im Buch Hiob. Satan ist ganz klar Gott unterstellt. Die Vorstellung von einem Satan als Gegenüber Gottes entsteht erst später und entstammt mehr menschlicher Fantasie als biblischer Sicht. 

Satan handelt hier also als Überprüfer im Auftrag Gottes. Er überprüft den Glauben Hiobs und, nachdem im Himmel Rat gehalten worden ist, plädiert er für eine noch tiefergehende Prüfung Hiobs. Eine nicht leicht zu ertragende Vorstellung: Gott testet uns mittels eines Glaubensinspektor. 

Warum das Ganze in einem Buch der Bibel? Ich glaube, diese Szene vom himmlischen Hofstaat mit Inspektor Satan und einem prüfenden Gott dient dazu, dem Rätselhaften Ausdruck zu verleihen, um das es hier geht: woher kommt das Unglück auf dieser Welt; wer hat Schuld; welche Rolle spielt hier Gott? 

Ja, und großes Unglück trifft Hiob. Unserem Bibelwort von vorhin vorausgegangen war ein furchtbarer Schicksalsschlag gegen Hiobs Familie. Alle seine Kinder kommen dabei ums Leben. Schrecklich. Und auch seinen Viehbesitz verliert Hiob. 

Nun aber, nach der Tagung des himmlischen Hofrates, trifft es auch Hiob selbst. Er wird krank. Schwer krank. Dennoch erkennt Hiob Gott als den Urheber der gesamten Wirklichkeit an. Er nimmt sein Schicksal an, ohne sich von Gott loszusagen. Seine Freunde kommen, ihn zu besuchen. Und sie schweigen mit ihm sieben Tage. 

Doch dann tut Hiob seinen Mund zur Klage auf. Er klagt sein Leid Gott. Er verflucht, dass er, Hiob, überhaupt geboren wurde und schließlich klagt er Gott an, so hemmungslos und grundstürzend wie sonst nirgends in der Bibel: Hiob schleudert Gott sogar den Satz ins Gesicht: „Die Erde ist in verbrecherische Hand gegeben!“ (Hi 9,24) Und damit meint er Gott! 

Die Freunde brechen nun ihr Schweigen. Sie halten dagegen und versuchen das Unglück, das Hiob ereilt hat, zu erklären. Sie sagen: irgendeinen Grund muss es doch dafür geben. Grundlos ereilt einen Menschen doch nicht so großes Unglück. Die Freunde wollen Hiobs Klage für sein großes Unglück ersetzen durch einen Grund für dieses Unglück. 

Der Marburger Theologieprofessor Henning Luther ist nicht alt geworden. Er war Jahrgang 1947. 1986 wurde er Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg. Fünf Jahre später starb er nach langer Krankheit mit gerade 44 Jahren. Doch damit nicht genug. Bereits 1981 war seine Frau gestorben, mit der er nur neun Jahre verheiratet gewesen war. i)

Henning Luther hat sich viel mit Hiob befasst. Und so hat er einmal gesagt: Trost wird zur Lüge, wo Klage und Trauer nicht zugelassen werden. ii) Ein starker Satz. Ein wahrer Satz. Trost wird zur Lüge, wenn das Leid, das Unglück gedeutet und erklärt wird und die Klage wegerklärt wird. 

Genau das haben die Freunde Hiobs versucht, nachdem sie ihr Schweigen gebrochen hatten. Aber Hiob hält an seiner Klage fest. Er will keine einfache Erklärung seines Unglücks; dafür ist es zu groß. Hiob hält an seiner Klage fest und damit hält er auch an Gott fest. Und so geschieht das Wunder: In seiner Konfrontation mit Gott findet Hiob Gott. 

Der vorderste Erklärungsversuch der Freunde für Hiobs Unglück ist, dass es sich um eine Strafe Gottes handeln muss. Und zwar um eine gerechtfertigte. Diesen Erklärungsversuch räumt das Buch Hiob komplett ab. Unglück, das uns trifft, ist nie eine Strafe Gottes. Unglück ist Unglück, weil diese Welt kein von einem Gott gesteuertes Marionettentheater ist. Vielleicht lässt sich aus dem einen oder anderen Unglück, das einen trifft, etwas lernen. Das Sprichwort sagt, es gibt keinen Schaden, der nicht auch einen Nutzen hätte. Das mag manchmal zutreffen, manchmal aber eben nicht. Daher Vorsicht bei solchen – die Freunde Hiobs lassen grüßen – Versuchen einer Deutung. 

Unglück, des uns ereilt, führt uns zur Klage und damit zu Gott. Und das Unglück, das meinen Mitmenschen ereilt, führt mich zum Helfen. Das wichtigste aber ist heute am ersten Sonntag der Passionszeit, wo wir des Weges Jesu in und durch das Unglück gedenken: Gott lässt sich im Unglück finden. 

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

i) https://de.wikipedia.org/wiki/Henning_Luther [abgerufen am 25.02.2023] 
ii) Vgl. Henning Luther, Die Lügen der Tröster. Bei: Johannes Taschner, GPM 77 (2023), S.168f.  

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