Die Landessynode tagt in Bamberg

Präsidentin Preidel und Vize Stiegler ziehen Bilanz zum Ende der Wahlperiode

Von Achim Schmid und Roland Gertz epd evangelischer Pressedienst Die Kirche muss nicht in Weltuntergangsstimmung versinken, meinen die bayerische Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel und Vizepräsident Hans Stiegler. Im Interview ziehen sie ein Resümee der zu Ende gehenden Synodalperiode und erzählen, worüber die Landessynode Ende November in Bamberg beraten wird.

Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel und Dekan Hans Stiegler, Vizepräsident der bayerischen Landessynode beim Redaktionsgespräch im Sonntagsblatt.

Vor der letzten Tagung der amtierenden bayerischen evangelischen Landessynode in Bamberg ziehen Synodalpräsidentin Annektahrin Preidel und Vizepräsident Hans Stiegler im Sonntagsblatt-Redaktionsgespräch eine erste Bilanz und beschreiben den Weg der Kirche in die Zukunft.

Der breitangelegte Reformprozess „Profil und Konzentration“ (PuK) soll die Kirche wieder näher an die Menschen und ihre Lebensfragen bringen und die Kirche agil und beweglich machen – mit weniger Büroktie, dafür aber mehr Gestaltungsfreiraum für die Gemeinden und Dekanate. Für den Umgang mit AfD-Wählern setzt die Synodalpräsidentin statt Ausgrenzung auf eine „klare und kultivierte Kommunikation“.

Frau Präsidentin, am Anfang der Synodalperiode haben Sie als Ziel ausgegeben, dass statt „großmächtiger Konzepte“ die Kommunikation von Mensch zu Mensch im Vordergrund stehen solle. Ist das gelungen?  Verlagsangebot

Preidel: Das ist nach meiner Einschätzung sehr gut gelungen, was sich am klarsten bei unserem großen Reformprozess „Profil und Konzentration“ (PuK) gezeigt hat.

Dieser Prozess, mit dem die Kirche und ihrem Kernanliegen, der Vermittlung des christlichen Glaubens, wieder näher an die Menschen rücken will, wurde nicht von oben nach unten delegiert. Sondern ganz im Gegenteil: Viele, viele Menschen haben miteinander gesprochen.

Es gab zahlreiche Studientage und Workshops vor Ort. Auf dieser Basis wurden dann konkrete Maßnahmen entwickelt. Genau so sind wir übrigens auch bei der Aufnahme der Barmer Theologischen Erklärung in unsere Kirchenverfassung vorgegangen.

Stiegler: Ganz grundsätzlich ist Kommunikation eine Grundvoraussetzung für die Kirche. Die 108 Synodalen haben miteinander geredet, und zwar jeder mit jedem – über alle Themen, immer wieder auch kontrovers. Die Synode hat in ihrer Zusammensetzung die gesamte Vielfalt und Buntheit der Landeskirche widergespiegelt und ist doch in intensiver Kommunikation zu tragfähigen gemeinsamen Lösungen gekommen. 

Preidel: Es war gut, dass sich diese Vielfalt auch im Landessynodalausschuss abgebildet hat. Das hat die Organisation unglaublich erleichtert, eben weil es keine Verteilungs- und Machtkämpfe gab. Voraussetzung dafür war sicherlich, dass alle drei synodalen Arbeitskreise im Präsidium vertreten waren. Deshalb waren wir ein echtes Moderationsgremium, das Konfliktsituationen bereits in ihrem Entstehen wahrnehmen und bewältigen konnte. Nahezu vorbildlich gelang uns dies bei dem kontroversen Thema der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. 

Zur internen Kommunikation gehörte auch die Zusammenarbeit mit den anderen kirchenleitenden Organen Landesbischof und Landeskirchenrat.

Stiegler: Es gab keine Machtspiele zwischen den kirchenleitenden Organen, sondern wir haben immer auf der Sachebene agiert. Der Landessynodalausschuss hat sich mit jeder Vorlage oder Eingabe intensiv befasst und sich dazu auch inhaltlich positioniert. Bei Klärungsbedarf haben wir auch eine Vorlage zur Nachbearbeitung in das entsprechende Referat im Landeskirchenamt zurückgeschickt.

Preidel: Als Landessynode waren wir ein klares Gegenüber zu den anderen kirchenleitenden Organen, mit Ecken und Kanten. Wir haben uns souverän positioniert. Allerdings haben wir uns anschließend gemeinsam immer wieder Zeit genommen, die Probleme zu definieren und dann die Gelenke zwischen den kirchenleitenden Organen zu ölen. Das hat unter dem Strich gut funktioniert und zu tragfähigen Lösungen geführt.

In der Öffentlichkeit wird hauptsächlich der Landesbischof wahrgenommen, die Synode als Leitungsgremium eher weniger.

Stiegler: Der gesellschaftliche Trend, dass große Organisationen an Bedeutung verlieren, geht auch an der Kirche nicht vorbei. In einer säkularen Gesellschaft ist die Kirche nur noch ein Player unter mehreren. Dazu kommt noch, dass in der Mediengesellschaft hauptsächlich der Landesbischof wahrgenommen wird, zumal er es versteht, medienwirksam zu agieren. Deshalb müssen wir noch deutlicher machen, dass die Synode nicht nur dem evangelischen Prinzip des Priestertums aller Getauften entspricht, sondern auch den Weg der Kirche ganz wesentlich bestimmt – bis in die Gemeinden hinein. 

Preidel: Innerhalb der Kirche spüre ich ein großes Interesse für die Synode und vor allem für unsere Themen.

Zu meinen Vorträgen zur Zukunft der Kirche kommen 200 bis 250 Menschen, und das zur besten „Tatort-Zeit“.

Viele Menschen sehnen sich danach, dass die Kirche im Alltag präsent bleibt. Weil die Synodalen aber als Ehrenamtliche nur über ein begrenztes Zeitbudget etwa für ihre Präsenz in den Gemeinden und Kirchenvorständen verfügen, suchen wir nach neuen medialen Formen zur Vermittlung synodaler Anliegen. Eine von der Synode angeregte, hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Antisemitismus etwa wurde vom BR als Fachgespräch aufgezeichnet und übertragen. Das könnte ein neues Tool sein, mit dem wir die Öffentlichkeit erreichen können.

Neben den obligatorischen Aufgaben, wie etwa dem Haushalt, scheinen in der Synode inhaltliche Themen eine größere Rolle gespielt zu haben. Was waren für Sie die Highlights?

Preidel: Mir lag sehr am Herzen, dass die Jugenddelegierten endlich ein Stimmrecht bekommen haben. Wenn wir die jungen Menschen erreichen wollen, müssen wir ihnen auch Verantwortung geben. Dies führen wir jetzt inhaltlich auch in der Arbeitsgruppe „Jugend in Verantwortung“ weiter.

Stiegler: Für mich war beeindruckend, wie diese Synode zu einer wirklichen geistlichen Gemeinschaft geworden ist. Das hat sich vor allem gezeigt, wie sie mit den beiden tragischen Todesfällen von Synodalen umgegangen ist. Da hat die Tagesordnung plötzlich gar keine Rolle mehr gespielt. Der Höhepunkt der Periode war zweifellos die Coburger Tagung, bei der alle kirchenleitenden Organe den Reformprozess PuK beschlossen haben.

Wie sehen Sie den Stand des Reformprozesses?

Preidel: PuK ist kein Projekt, sondern ein Prozess, der die Kirche nachhaltig verändern wird. Inzwischen hat dieser ganz sicher den Point-Of-No-Return überschritten. Wir haben einen konkreten Maßnahmenkatalog und sind damit in der Umsetzungsphase angekommen. Vor allem die Verknüpfung von PuK mit der Landesstellenplanung schafft Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten für die Dekanate und die Gemeinden. Sie können damit passgenau auf die ganz besonderen Gegebenheiten und Herausforderungen in ihrem Bereich reagieren. Voraussetzung dafür sind Freiheit und Vertrauen.

Von einer Top-Down-Kirche werden wir zu einer Kirche, die die Basis nicht nur beteiligt, sondern zum Motor für Veränderung macht. Aus einer Kirche, die auf Stabilität angelegt war, wird eine agile, lebendige Kirche.

Das Einzigartige an PuK ist seine geistliche Qualität. Damit haben wir das genutzt, was unser Proprium ist: Wir machen einen Unterschied – und dies auch und gerade im Vergleich mit ähnlichen Prozessen in anderen Organisationen.

Stiegler: Durch PuK definiert und organisiert sich unsere Kirche wieder vom Evangelium und ihrem Auftrag her, den Menschen einen einfachen Zugang zur Liebe Gottes zu eröffnen. Dazu gehört, wie unser christlicher Glaube an die nächste Generation weitergegeben werden kann und welche Relevanz der Glaube für den Alltag der Menschen hat. Das sind unsere zentralen Aufgaben – nicht die Strukturfragen, in denen man sich auch verlieren kann.

Lässt sich die neue agile Kirche bereits konkret festmachen?

Preidel: Ja, und zwar strukturell und inhaltlich. Es gibt bereits Überschneidungen der verschiedenen Abteilungen an den Knotenpunkten der verschiedenen Reformprozesse. Der Pfarrbildprozess, das Miteinander der Berufsgruppen, die Verwaltungsreform und „Profil und Konzentration“ sind gut verlinkt. Vor allem die Verknüpfung von PuK und Landesstellenplanung ist extrem gut gelungen.

Ein geglücktes Beilspiel für agiles Handeln war der Umgang mit den Flüchtlingen 2015. Da haben wir schnell Finanzmittel bereitgestellt, die Ehrenamtlichen waren am Münchner Bahnhof, der Landesbischof hat seinen Urlaub unterbrochen und wir haben unbürokratisch die „AG Herberge“ auf die Beine gestellt. Das berühmte Wort der Bundeskanzlerin „Wir schaffen das“, haben wir mit einem „Wir schaffen Herberge“ konkretisiert. Die „AG Herberge“ war gelebtes Evangelium und nur möglich, weil unsere Kirche als bewegliche Kirche in Erscheinung getreten ist. Dieses Beispiel zeigt, dass wir als Kirche auch dann handlungsfähig bleiben können, wenn wir weniger Geld haben. Es geht also um die Frage, wie wir uns so aufstellen, dass wir möglichst kreativ und menschennah sein können.

Stiegler: Zu einer agilen Kirche gehört für mich, dass wir den Gemeinden mehr zutrauen und Freiräume geben, weil sie – wie auch die Dekanate – am besten wissen, wie sie agieren müssen und welche Schwerpunkte nötig sind. Noch sind wir zu sehr bürokratisiert, jeder kleinste Schritt wird geprüft und bedarf irgendeiner kirchenaufsichtlichen Genehmigung. Wir brauchen also ein größeres Vertrauen in die Leute vor Ort. Oder theologisch zugespitzt:

Wenn der Heilige Geist in den Gemeinden weht und Gaben weckt, hat das nicht unbedingt mit Ausbildung und Strukturen zu tun, sondern mit Menschen, die Dinge können. Ihnen müssen wir Raum geben, damit sie wirken können.

Ein Blick nach vorne in Richtung neue Synode. Zu den von den Kirchenvorständen gewählten Mitgliedern werden von der Synode auch Mitglieder aus den verschiedensten Bereichen berufen. Nach welchen Kriterien sollte das geschehen?

Stiegler: Es sollten jedenfalls keine Promis und VIPs berufen werden, nur damit die Synode in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird. Wir brauchen vielmehr Menschen, die sich mit Kirche identifizieren und aus ihrer Sicht und mit ihrer Kompetenz zu den Themen und Aufgaben etwas Substanzielles beitragen können. In der Synode sitzen keine Lobbyisten für ihre Sache, sondern Menschen, die ihre Kirche voranbringen wollen. Deshalb ist die Zusammensetzung und auch die Größe der Synode so sinnvoll, weil sie die ganze große Buntheit unserer Landeskirche abbildet. 

Bisher war es üblich, Repräsentanten der Parteien zu berufen, die im bayerischen Landtag vertreten sind. Das wäre jetzt auch die AfD.

Preidel: Die Synode steht vor der Situation, dass inzwischen mehr als drei Fraktionen im Landtag sind, es jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Berufungsplätzen gibt. Da liegt es auf der Hand, dass nicht jeweils ein Repräsentant aus jeder Fraktion berufen werden kann. Deshalb müssen sich der Landessynodalausschuss und der Landeskirchenrat in dieser Frage auf Kriterien verständigen. Dies wird nach der Wahl zur Landessynode im Dezember geschehen.

Es ist aber möglich, dass in der nächsten Synode gewählte Mitglieder sitzen werden, die der AfD nahestehen. Wie sollte der Umgang mit ihnen aussehen?

Preidel: Wir haben eine Debatten- und Diskussionskultur in der Synode, die von Toleranz, Respekt und Einbeziehung Andersdenkender geprägt ist. Das ist die Stärke des Protestantismus. Und vor dieser Stärke sollten wir keine Angst haben. Ich empfand es als kein glückliches Zeichen, dass die AfD bei dem diesjährigen Kirchentag in Dortmund von den Podien ausgeschlossen wurde.

Wenn immer nur Gleichgesinnte miteinander ins Gespräch kommen, führt dies zu Polarisierungen und schafft Konflikte, die unserer Demokratie schaden.

Anstatt auszugrenzen sollten wir einander mit einer klaren und kultivierten Kommunikation ohne Vorannahmen und Verurteilungen begegnen und uns Zeit nehmen, um einander zuzuhören. So können wir in einer Welt kommunikativer Verrohung und Verunglimpfung eine andere, durchaus vorbildliche Art und Weise des zwischenmenschlichen Umgangs zum Vorschein kommen lassen.

Die noch amtierende Synode war maßgeblich an den Berufungen in kirchliche Führungsämter beteiligt. Dabei kamen wenig Frauen zum Zuge, bayerische Theologinnen haben inzwischen Führungsämter in anderen Landeskirchen gefunden.

Preidel: Der Berufungsausschuss bemüht sich darum, die jeweils am besten geeignete Persönlichkeit für die jeweilige Führungsfunktion zu finden. In der „Frauenfrage“ haben wir mit Frau Dr. Barbara Pühl, der landeskirchlichen Beauftragten für Chancengerechtigkeit, gesprochen. Zusammen mit ihr ist der Berufungsausschuss zur Einschätzung gekommen, dass der lange Zeit praktizierte „100-Prozentbeschluss“ ein Haupthinderns für den Karriereweg von Frauen in Leitungsebenen unserer Landeskirche ist.

Weil ein Pfarrersehepaar sich eine Stelle teilen musste, hat eben zumeist die Frau Familienaufgaben übernommen und auf eine berufliche Weiterentwicklung verzichtet, während ihr Mann als Pfarrer gearbeitet hat. Diesen Befund haben wir auch an den Landeskirchenrat weitergegeben, weil diese „Altlasten“ ausgeglichen werden müssen, etwa rückwirkend durch einen entsprechenden Ausgleich in der Altersversorgung und vorausschauend durch eine gezielte Förderung und Personalentwicklung von Theologinnen.

Welcher Themen sollte sich die neue Synode annehmen?

Stiegler: Die Synode wie die gesamte Kirche sollte stärker wahrnehmen, dass uns viele Menschen den Rücken kehren. Bisher wurden die Kirchenaustritte eher stillschweigend zur Kenntnis genommen. Das Grundanliegen muss deshalb für uns sein, den Menschen überzeugend deutlich zu machen, was der christliche Glaube für sie bedeuten und welche ungeheuer befreiende Wirkung er für ihr eigenes Leben und ihren Alltag haben kann.

Preidel: Ich glaube, dass wir als Kirche mit unserem einmaligen Angebot Chancen für die Zukunft haben und wir deshalb nicht in einer Weltuntergangsstimmung versinken müssen. Außerdem sollten die neuen Perspektiven von PuK noch wirksamer werden – also Offenheit, gute Kommunikation, Präsenz der Kirche im Raum sowie neue Freiräume für die Gemeinden und Dekanate.

Grundsätzlich sollten weniger zeitlich begrenzte Projekte aufgesetzt werden, sondern nachhaltige Prozesse in Gang kommen – auf dem Weg zu einer agilen Kirche. Vorschläge und Wünsche für die neue Synode können wir jedoch nicht äußern. Denn die Themen müssen im neuen Landessynodalausschuss entstehen und aus der Mitte der neuen Synode kommen.

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Achim Schmid

Chefredakteur Evangelischer Pressedienst epd – Landesdienst Bayern

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