„Das Christkind ist zurück“: Predigt zu Off 3,14-17.19-20 zum 1. Advent

„Das Christkind ist zurück“
Predigt zu Off 3,14-17.19-20
1. Sonntag im Advent, 27. November 2022
St. Johannis, Ansbach 

Liebe Gemeinde! 

Im Jahre 1982, also vor genau 40 Jahren, gewann zum ersten Mal eine deutsche Interpretin den Eurovision Song Contest. Die nicht mehr ganz Jungen unter uns erinnern sich: es war die erst 17jährige Schülerin Nicole. Und sie gewann mit ihrem Song „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne, für diese Erde, auf der wir wohnen.” 

Das Lied war sehr erfolgreich. Es atmete den Zeitgeist von damals. 1982 war die Hoch-Zeit des Kalten Krieges. Ost und West bedrohten sich mit einem riesigen Atomraketenarsenal, um sich gegenseitig in Schach zu halten: das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens. Da wünschte sich alle sehnlichst: „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne, für diese Erde, auf der wir wohnen.” 

Aber es gab auch Kritik. Ein bisschen Frieden: kann es das überhaupt geben? Ist es nicht vielmehr so, dass es entweder Frieden gibt oder eben keinen Frieden. Aber ein bisschen? Als die Sängerin Nicole einige Jahre später heiratete und ihr erstes Kind erwartete, fragten die Spötter, ob sie nun auch ein bisschen schwanger sei. Um darauf hinzuweisen: ein bisschen schwanger gibt es ebenso wenig wie ein bisschen Frieden. 

Ganz oder gar nicht! Unser Bibelwort für den 1. Advent scheint in diese Richtung zu gehen. Hören wir aus der Offenbarung des Johannes im 3. Kapitel: 14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: 15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. 17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! 20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. 

Kalt oder warm, aber nur nicht lau! So hören wir. Fisch oder Fleisch. Oder auf fränkisch: Presssack oder Käse. Dazwischen gibt es nichts. 

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir in dieser Adventszeit schwer tue mit der kategorischen Ablehnung von Zwischentönen. Das wäre vor Jahren noch anders gewesen. Aber ist es nicht die große Not unserer Zeit, dass sich in den sozialen Netzwerken aber auch anderswo unterschiedliche Meinungen nicht wie unterschiedliche Meinungen, sondern wie feindliche Armeen gegenüberstehen? Hass und Hetze gegenüber Andersdenkenden haben vor allem bei Facebook & Co längst das Maß des Erträglichen überschritten, so dass es mittlerweile juristische Instrumente wie ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz braucht. Es gibt heute viel zu viel heiß oder kalt. 

In den USA, deren gesellschaftliche Entwicklungen verspätet oft auch zu uns kommen, verstehen sich Republikaner und Demokraten nicht mehr als politische Gegner, sondern als Feinde, die sich mit nahezu allen Mitteln bekämpfen meinen zu müssen. Da gibt es nicht einmal mehr den Versuch eines Verständnisses für die Position des andern, die man ja dann noch immer nicht teilen muss.

Aber wir brauchen gar nicht so weit weg gehen. Vor ein paar Tagen enthüllten Reporter verschiedener Zeitungen die Existenz einer Internetseite, auf der die Privatadressen und Handynummern von rund 250 Bundestagsabgeordneten und auch Bundesministern veröffentlicht sind. Der Verfasser dieser, man kann nicht anders sagen, Feindesliste ist noch nicht ermittelt. Aber aufgelistet sind all diese Politiker aus einem einzigen Grund: sie haben im April dieses Jahres im Bundestag für die Impfpflicht gestimmt.1)

Es ist schon richtig, dass man für seine Sache brennen darf und muss. Aber wenn die Stimmung ohnehin schon hochentzündlich ist, dann kann leicht das ganze Haus in Brand geraten und schlimmster Schaden angerichtet werden. In einer solchen Stimmung braucht es dann keine Heißsporne, sondern ein laues Temperament, das nicht die Eskalation, sondern den Kompromiss sucht. 

Ist das nun ein Widerspruch zu unserem Bibelwort? Schauen wir nochmal genau hin. Da heißt es: Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist. Offenbar sind die Menschen in Laodizea recht selbstsicher und schätzen dabei ihre eigentliche Situation völlig falsch ein. Daher sollen sie durch die Frage warm-kalt-lau zum Nachdenken gebracht werden. Ins Nachdenken kommen, das ist genau der Punkt. Waren die Gemüter in Laodizea einen Tick zu gechillt, so dass sie sich in Richtung warm oder kalt entscheiden sollten, so sind die Gemüter in unseren Tagen zu aufgeheizt. Nachdenken und in sich gehen ist daher angesagt. Es gibt Zeiten, da muss man für etwas brennen, und dann auch die, wo lauere Töne angesagt sind. Jetzt ist die Zeit für lauere Töne. 

Und solche lauen Töne sind plötzlich auch in unserem Bibelwort zu hören. Der Jesus der Johannesoffenbarung sagt: Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Nein, ich falle nicht mit der Tür ins Haus. Und ich komme auch nicht hereingestürmt. Aber wer mich hört und mir die Tür auftut, zu dem komme ich herein und werde mit ihm Abendmahl feiern. 

Jesus tritt vor die Türen, hinter denen wir uns verschanzen, wenn wir draußen nur Gegner vermuten. Er tritt vor die Türen, hinter denen wir uns zurückgezogen haben, weil wir uns nicht verstanden fühlen. Und er will nur eines: zu uns hereinkommen. Das ist Advent. 

Gott kommt in unsere Welt. Er kommt in unsere Engstirnigkeit, in unsere Friedlosigkeit, in unsere Not. Gott kommt in unsere Welt. Und daher ist unsere Welt nie ganz und gar gottlos. Dieser 1. Advent mit all den Riesenproblemen rund um unseren Erdball und auch hier bei uns, er verkündet uns: Gott ist nicht fern von uns. Er steht vor unserer Tür und ist schon im Begriff, bei uns einzukehren. 

Gestern titelte die Fränkische Landeszeitung in ihrer Ausgabe zum ersten Advent: Das Christkind ist zurück. Was für eine Schlagzeile: Das Christkind ist zurück. Eine Schlagzeile, die fast schon eine Predigt ist. Natürlich war hier das Nürnberger Christkind gemeint, das endlich wieder mit seinem berühmten Prolog den Christkindlesmarkt eröffnete. Und doch war damit auch eine große Sehnsucht beschrieben. Christkind: so hat seinerzeit Martin Luther den Weihnachtschristus genannt. Ja, Christ der Retter ist zurück. Oder vielmehr: Christ, der Retter ist da. 

Das Christkind ist zurück. Darum wird unsere Welt nicht auseinanderbrechen und unser Gemeinwesen wird nicht zerstört und Friedlosigkeit und Not werden ein Ende haben. Christ der Retter ist da. Heute tritt er herein mitten in unsere Gemeinschaft und wird das Abendmahl mit uns halten und wir mit ihm. Was für ein Wunder. 

DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH 

1) Süddeutsche Zeitung vom 25.11.2022, S. 7. 

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