Dekan Dr. Matthias Büttner

„Alles kann gut werden“ | Predigt 23. Februar in St. Johannis Ansbach

„Alles kann gut werden“
Predigt zu Ez 37,1-14
Gedenkgottesdienst 80 Jahre Bombardierung Ansbachs, 23. Februar 2025
St. Johannis, Ansbach

Liebe Gemeinde,

Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts entstand in den USA die Science Fiktion Serie „Star Trek“, die bei uns Raumschiff Enterprise hieß. Der Serie war zunächst wenig Erfolg beschieden. Aber das sollte sich schnell ändern. Zur Serie kamen Spielfilme, eine zweite und eine dritte Staffel – und es entstand ein großer Kreis von Fans auf der ganzen Welt. Der Grundton von Star Trek war Friede und Verständigung zwischen den Völkern. Und die Weiterentwicklung des Menschengeschlechts zum Guten. Es gab vor rund 20 Jahren sogar eine Parodie unter der Regie von Michael „Bully“ Herbig, die sich über das Original kräftig lustig machte – für mich irgendwie bezeichnend.

Was war das für eine Zeit damals, in der die Serie „Raumschiff Enterprise“ entstand? Die Kubakrise lag gerade ein paar Jahre zurück. Jene Krise zwischen damaliger Sowjetunion und den USA, wo es um die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba ging und in deren Verlauf es um ein Haar zum Einsatz von Atomwaffen gekommen wäre. Nur knapp zwanzig Jahre vorher fand der Zweite Weltkrieg – Nazi-Deutschland hatte schon kapituliert – sein schreckliches Ende durch den Einsatz von zwei Atombomben gegen Japan. Die Welt befand sich in einer sehr heißen Phase des sogenannten Kalten Krieges. Und nun sitzen auf der Brücke des fiktiven Raumschiff Enterprise ein Japaner und ein Russe friedlich nebeneinander am Steuer, zusammen mit einem amerikanischen Captain, und erkunden auf einer Friedensmission das Weltall. Noch heute sagen Menschen, die damals diese Fernsehserie gesehen haben, dass in jeder Folge etwas von einem Neuaufbruch in Richtung einer besseren Welt zu spüren war. Und davon, dass sich das Blatt der Geschichte zum Guten wenden kann.

Vor 80 Jahren traf der Bombenkrieg des Zweiten Weltkriegs, in dem die Alliierten die deutsche Militärmaschine ausschalten wollten, auch unsere Stadt. Viele hundert Menschen fanden einen grausigen Tod. Das Bombardement diente der Zerstörung kriegswichtiger Infrastruktur, aber auch der Zermürbung der Bevölkerung. Auf alliierter Seite wusste man ja nicht, das darf nicht vergessen werden, was das fanatisierte Deutschland militärisch noch im Petto hatte. Doch trotz allen unsäglichen Leides auch an der deutschen Zivilbevölkerung war die Niederringung der nationalsozialistischen Terrorherrschaft eine Befreiung und dann der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung auch für unser Land.

Gehen wir zweieinhalbtausend Jahre in die Zeit zurück. Im Jahr 587 v. Chr. geschieht eine Katastrophe. Jerusalem, die hochgebaute Stadt, wird durch die Babylonier zerstört und mit der Stadt auch der einst von Salomo erbaute Tempel. Für die Israeliten stellte das eine Katastrophe bisher nicht vorstellbaren Ausmaßes dar. Es war der Untergang ihrer bisher bekannten Welt. In diese schreckliche Zeit hinein kündigt der Prophet Ezechiel aber davon, dass sich das Blatt der Geschichte zum Guten wenden wird. Es hat etwas von Science Fiktion, was man bei Ezechiel liest: der Prophet, der von Gott als „Menschenkind“ angesprochen wird, wird von Gottes Geist auf ein Feld geführt, wo sich ein Bild des Grauens ergibt. Tote Gebeine liegen da, soweit das Auge reicht. So wird es auch ausgesehen haben, als die Babylonier nach erbittertem, aber vergeblichem Widerstand der Israeliten Jerusalem erobert hatten. Doch nun wendet sich das Blatt zum Guten.

Hören wir beim Propheten Ezechiel im 37. Kapitel: 1Des Herrn Hand kam über mich, und er führte mich hinaus im Geist des Herrn und stellte mich mitten auf ein weites Feld; das lag voller Totengebeine. 2Und er führte mich überall hindurch. Und siehe, es lagen sehr viele Gebeine über das Feld hin, und siehe, sie waren ganz verdorrt. 3Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, meinst du wohl, dass diese Gebeine wieder lebendig werden? Und ich sprach: Herr, mein Gott, du weißt es. 4Und er sprach zu mir: Weissage über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret des Herrn Wort! 5So spricht Gott der Herr zu diesen Gebeinen: Siehe, ich will Odem in euch bringen, dass ihr wieder lebendig werdet. 6Ich will euch Sehnen geben und lasse Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben, dass ihr wieder lebendig werdet; und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin. 7Und ich weissagte, wie mir befohlen war. Und siehe, da rauschte es, als ich weissagte, und siehe, es regte sich und die Gebeine rückten zusammen, Gebein zu Gebein. 8Und ich sah, und siehe, es wuchsen Sehnen und Fleisch darauf und sie wurden mit Haut überzogen; es war aber noch kein Odem in ihnen. 9Und er sprach zu mir: Weissage zum Odem; weissage, du Menschenkind, und sprich zum Odem: So spricht Gott der Herr: Odem, komm herzu von den vier Winden und blase diese Getöteten an, dass sie wieder lebendig werden! 10Und ich weissagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam der Odem in sie, und sie wurden wieder lebendig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer. 11Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns. 12Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der Herr: Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels. 13Und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole. 14Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen, und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin. Ich rede es und tue es auch, spricht der Herr.

Wir hören hier von einer großen Hoffnung, die inmitten unserer Welt gilt. Und wir hören zugleich von einer Hoffnung, die über unsere Welt hinaus geht. Israel soll wiedererstehen. Aber damit nicht genug: alle Toten sollen auferstehen.

Der Prophet will damit sagen: Gottes Geist macht lebendig. Und zwar gegen alle Erfahrung. Das ist die Botschaft. Es ist ja gar nicht möglich, dass tote Gebeine wieder mit Sehnen und Fleisch und Haut überzogen werden und dann wieder lebende Wesen werden. Aber Gottes Geist kann es, auch wenn das Wie ein Geheimnis bleibt: Gott kann lebendig machen, wo alles tot war.

Ob man sich im Frühjahr 1945 vorstellen konnte, dass es in Ansbach oder im völlig zerstörten Würzburg oder Dresden, um nur einige Städte zu nennen, einmal wieder blühendes Leben geben würde?

Wohl kaum. Es war die Stunde „null“. Aber dann hat sich das Blatt der Geschichte zum Guten gewandelt. Aus Feinden wurden Freunde. Gottes Geist, so sieht es der Glaube, hat den sprichwörtlichen Gebeinefeldern wieder Leben eingehaucht. Unser Land ist nicht zuletzt durch die Hilfe der Alliierten, allen voran der USA, zu einem blühenden Land geworden, in dem es Einigkeit und Recht und Freiheit gibt. Auch angesichts der nicht zu leugnenden Herausforderung unserer Zeit darf das nicht schlecht geredet werden. Ja, vieles ist anzupacken bei uns. Aber unser Land muss nicht grundsätzlich wieder in Ordnung gebracht werden. Achten wir auf unsere Worte. Von toten Gebeinefeldern sind wir weit entfernt.

Aber die Gefahr ist größer geworden. Radikale politische Kräfte bei uns und unseren Freunden locken abwechselnd mit alles vermeintlich schnell helfenden Rosskuren und Realitätsverweigerung. Und angesichts der Zeitenwende in den USA ist es tatsächlich nicht mehr völlig unwahrscheinlich, dass sich die westliche Welt, wie wir sie kennen, zu einem toten Gebeinefeld werden könnte. Es ist der bedeutende Historiker Heinrich August Winkler, der den Westen das große normative Projekt genannt hat. Normativ deshalb, weil das Recht vor Stärke kommt; weil die Regeln für alle gelten; weil die Gewaltenteilung die Gewalt einhegt. Hoffen wir, dass Institutionen und nicht zuletzt auch die Zivilgesellschaft in den USA und bei uns standhalten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach auf der Münchener Sicherheitskonferenz mit Blick auf die Situation in den USA von einer kleinen unternehmerischen Elite, die die Macht, die Mittel und den Willen habe, Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen. Und die aus ihrer Verachtung für Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl macht.

Von dieser radikalen Minderheit, die es so noch nie gab, geht eine große Gefahr aus. Der Journalist Stefan Kornelius hat dazu geschrieben: „Amerika hat sich aufgemacht in eine neue Zeit, und der Weg führt zunächst durchs Jammertal.“ii

Durchs Jammertal sind Deutschland und auch unsere Stadt vor 80 Jahren gegangen. Es war ein selbstverschuldetes Jammertal. Aber heute 80 Jahre danach sehen wir dankbar, dass Gott das Blatt der Geschichte zum Guten gewendet hat. Ein gnädiger Gott hält trotz allem unsere Welt in seinen Händen. Das ist die Botschaft des Propheten Ezechiel. Und das ist unsere Hoffnung heute 80 Jahre danach.


i Süddeutsche Zeitung vom 17.02.2025, S. 9.
ii Süddeutsche Zeitung vom 25.01.2025.


DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

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