Dekan Dr. Matthias Büttner

„Jetzt oder nie“ | Predigt zum 9. Sonntag nach Trinitatis in St. Johannis (Ansbach)

„Jetzt oder nie“
Predigt zu Mt 13,44
9. Sonntag nach Trinitatis, 28. Juli 2024
St. Johannis, Ansbach

Jesus sagt: 44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. 

Liebe Gemeinde!

 Heuer ist es 50 Jahre her, dass Oskar Schindler im Alter von 66 Jahren gestorben ist. Oskar Schindler? Der Oskar Schindler aus dem Film Schindlers Liste, der im Zweiten Weltkrieg über tausend jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung in den Vernichtungslagern rettete. Diesen Oskar Schindler gab es wirklich, und er ist vor 50 Jahren gestorben. Und was er getan hat, hat viel mit unserem Gleichnis zu tun. 

Ein Mann findet, so erzählt es Jesus, auf einem Acker einen darin vergrabenen Schatz. Zu dieser Zeit hatte man kaum eine andere Möglichkeit, einen Schatz zu sichern, indem man ihn versteckte – also in der Regel vergrub. Es gab ja weder richtige Schlösser oder gar Tresore. Also versteckte oder vergrub man Wertvolles. Dabei konnte es durchaus vorkommen, dass ein solch vergrabener Schatz vergessen wurde und – wie in unserem Gleichnis – von einem Dritten überraschenderweise gefunden wurde. In der Antike gab es daher eine offizielle Regelung für solche Schätze im Acker: ein zufällig gefundener Schatz gehört grundsätzlich dem König. Im Römischen Reich dann wurde die Frage, wem ein solcher Schatz gehört, zu einem Modellfall der Rechtsdiskussion und die Antwort präzisiert. Und man kam zu dem Ergebnis: dem Eigentümer eines solchen Ackers gehört der gefundene Schatz — vorausgesetzt er wusste vor dem Erwerb nichts davon!

Jesus erzählt das Gleichnis zur Zeit des Römischen Reiches: der Schatzfinder darin handelt demnach illegal. Wenn ihm als Käufer des Ackers nachgewiesen worden wäre, dass er den Schatz schon vor Erwerb des Ackers gefunden hätte, hätte er den Schatz verloren und den Acker umsonst gekauft. Aber dazu sagt Jesus nichts. Jesus lobt den Ackerkäufer nicht und er tadelt ihn nicht. Er beschreibt lediglich, was der Schatzfinder tut. Aber was er tut, und das ist der Punkt, überschreitet die Grenzen des Alltäglichen und des Selbstverständlichenii – und gleicht damit dem Himmelreich. Eine Idee, im Gleichnis ist es der Ackerkauf, überwindet alle Grenzen, macht das Unmögliche möglich und erschließt so das Himmelreich. 

Grenzen werden überwunden und das Unmögliche wird möglich. So geschieht es auch im Leben von Oskar Schindler. Wobei es am Anfang gar nicht danach aussieht. In der Hoffnung geschäftlich vom Krieg zu profitieren, geht Oskar Schindler nach dem Überfall auf Polen nach Krakau und übernimmt 1939 „eine stillstehende Fabrik in Zabłocie bei Krakau, die er zunächst pachtet und später erwirbt. Durch Schwarzhandel, bei dem er von seinem polnisch-jüdischen Buchhalter Abraham Bankier beraten wurde, erarbeitet er sich ein Vermögen. Blech war zu Kriegszeiten knappe Ware. Seine kleine Fabrik, die unzerbrechliches Küchengeschirr für die Wehrmacht und den Schwarzmarkt herstellt, wächst sprunghaft. Bereits nach drei Monaten hatte sie 250 polnische Arbeiter, sieben von ihnen waren Juden.“ 

„Schindler, ein Hedonist und Spieler, nimmt den Lebensstil eines Lebemanns an und genießt das Leben in vollen Zügen.“ „Schindlers Widerstand gegen das Regime entwickelt sich nicht aus ideologischen Gründen. Den zuvor opportunistischen Fabrikanten widert die Behandlung der hilflosen jüdischen Bevölkerung an. Allmählich treten seine finanziellen Interessen gegenüber dem Verlangen zurück, so viele Juden wie möglich vor den Nationalsozialisten zu retten. Am Ende der Entwicklung waren Schindler und seine Ehefrau nicht nur bereit, ihr gesamtes Vermögen […] für dieses Ziel auszugeben, sie setzten sogar ihr Leben aufs Spiel.“ 

Schindler gelang es, seine jüdischen Fabrikarbeiter in einem eigenen Lager unterzubringen. „Durch das Arrangement eines Nebenlagers war es ihm möglich, seinen Arbeitern vergleichsweise gute Bedingungen zu bieten und ihre mangelhaften Ernährungsrationen mit Lebensmitteln zu ergänzen, die er auf dem Schwarzmarkt kaufte.“ 

Ende 1944 wurden alle Außenlager aufgrund des Vormarschs der Roten Armee geräumt und die Menschen durch die SS in Vernichtungslager deportiert. „Schindler gelang es, die Männer aus dem Lager Groß-Rosen zu retten. Sein persönlicher Sekretär schaffte es, in Auschwitz den Weitertransport der Frauen auszuhandeln, […]. […] In den letzten Kriegstagen floh Schindler nach Deutschland. In Schindlers Produktionsstätten war keiner seiner Arbeiter geschlagen oder in ein Vernichtungslager deportiert worden, keiner starb eines unnatürlichen Todes.“ 

Oskar Schindler hat alles verkauft für seinen Schatz im Acker: für die Idee, Akademiker und Kinder, notiert auf der berühmten Schindlers Liste, als qualifizierte Metallarbeiter einer kriegswichtigen Fabrik auszugeben und so 1.200 Juden zu retten. Moshe Bejski, selbst Nummer 531 auf Schindlers Liste und später Richter am Obersten Gerichtshof Israels sagte später: „Wäre Schindler nicht gewesen, wie er war, wären wir auch nicht mehr gewesen. Das Glück war, dass Schindler war, wie er war. […] Das ist Schindler. Die Normalen haben nicht [das] gemacht, was Schindler gemacht hat.“ 

Die Normalen. Wenn das Normale durchbrochen wird und sich eine neue, bisher unbekannte kraftvolle Logik Bahn bricht, dann – dann hat das etwas vom Reich Gottes. Wenn eine Idee alle Grenzen des Alltäglichen und Selbstverständlichen überwindet und Unmögliches möglich macht, dann hat das etwas vom Reich Gottes. 

Jesus sagt einmal an anderer Stelle, Gottes Reich lässt sich nicht einfach beobachten, und dennoch ist es mit-ten unter uns.iii Und im Nachhinein lässt sich dann feststellen, dass für einen Moment der Himmel offen war. Denn Unmögliches war plötzlich möglich geworden. 

Am 9. Oktober 1974 stirbt Oskar Schindler „in Hildesheim. Er fand auf seinen Wunsch hin seine letzte Ruhe auf dem römisch-katholischen Franziskanerfriedhof am Berg Zion in Jerusalem. Bis heute besuchen zahlrei-che Juden sein Grab und ehren ihn, indem sie dort einen kleinen Stein niederlegen.“ Die Nachfahren der sich selbst so bezeichnenden „Schindlerjuden“ leben heute über die ganze Welt verteilt.iv 

Gottes Reich durchbricht den normalen Gang der Dinge. Und es lässt das Unmögliche möglich werden. Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. 


DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

i Bei U. Luz, EKK, aaO; vgl. D. Trautwein, GPM 84 (1995), S. 320. 
ii Beobachtet von S. Egger, GPM 78 (2024), S. 372. 
iii Lk 17,21 u.ö. 
iv http://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Schindler [aufgerufen am 25.7.2024] 

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