Dekan Dr. Matthias Büttner

„Das Glück lässt sich nicht erzwingen“ | Predigt 15. Februar in St. Gumbertus Ansbach

„Das Glück lässt sich nicht erzwingen“
Predigt zu Pred 7,15-18
Vorabend Septuagesimä (zum Valentinstag), 15. Februar 2025
St. Gumbertus Ansbach

Liebe Gemeinde,

Hören wir einen Abschnitt aus dem Buch des Predigers Salomo. So hat Martin Luther den hebräischen Buchtitel „Kohelet” übersetzt. Kohelet heißt so viel wie Versammlungsredner. Gleich im ersten Vers des Buches wird dieser Versammlungsredner mit dem weisen König Salomo gleichgesetzt. Das Buch Kohelet bzw. Prediger Salomo besteht daher aus verschiedenen weisheitlichen Sinnsprüchen.

Mit solchen Sinnsprüchen versuchte man eine Ordnung zu finden in einer schon damals unübersichtlichen Welt.

Hören wir jetzt einige Verse aus dem 7. Kapitel: 15Dies alles hab ich gesehen in den Tagen meines flüchtigenLebens: Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein Gaunerii, der lebt lange in seiner Bosheit. 16Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest. 17Sei nicht allzu gaunerhaftiii und sei kein Tor, damit du nicht stirbst vor deiner Zeit. 18Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt; denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen.

Eigentlich ist es ist zum verrückt werden. Wir wissen es ja im Grunde, aber jetzt hören wir es sogar aus der Bibel: Gerechtigkeit zahlt sich eben nicht aus. Und Unrecht rächt sich auch nicht. Da hat die eine ihre alten Eltern bis zur Selbstaufgabe gepflegt und wird nachher vom Auto überfahren. Die andere prahlt mit ihren Steuertricksereien und gewinnt ein Auto. Den Guten geht’s schlecht und den Schlechten geht’s gut. Gerechtigkeit wird nicht mit Glück belohnt. Im Gegenteil, es gibt Gerechte, die krepieren an ihrer Gerechtigkeit. Man kann hier direkt beginnen, Namen zu nennen: der von Alexei Nawalny wäre so einer. Und es gibt Übeltäter, die leben lange und in Freuden trotz ihrer Verbrechen. Der verbrecherische Diktator August Pinochet starb mit 91 Jahren an einem Herzinfarkt, unbelangt für seine Morde und versehen mit den Sterbesakramenten seiner Kirche. Es ist zum verrückt werden.iv

Auf der anderen Seite: Was wäre, wenn sich Gerechtigkeit wirklich auszahlen würde, und umgekehrt Unrecht sich immer rächen würde? Wo wäre ich dann? War ich immer gerecht und wirklich niemals ungerecht? Oder anders gesagt: wäre ich mir tatsächlich darin sicher, wie sich mein Verhalten auszahlen würde? Es könnte also ganz gut sein, dass nicht jeder gleich bekommt, was er verdient.

In einer langjährigen Beziehung oder Ehe hat doch jeder und jede auch nicht immer das bekommen, was er verdient. Lebt im Grunde eine Ehe und eine gute, intakte Beziehung nicht davon, dass ich nicht immer bekomme, was ich verdiene? Jeder Streit endet doch damit, dass die Frage nach dem Wer-hat-angefangen und damit die Frage nach der Gerechtigkeit verstummt. Eigentlich finde ich es ganz gut, dass ich nicht an meinen eigenen Fehlern zugrunde gehe. Der Prediger Salomo war schon ein kluger Mensch.

16Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest. So hören wir es beim Prediger Salomo.

Es heißt ja zuweilen, dass die Hochzeit der schönste Tag im Leben sein soll. Ich finde diese Vorstellung schrecklich. Denn wenn der Tag der Trauung der schönste sein soll, was kann dann noch kommen? Ich finde, es muss kein Tag der schönste im Leben sein. Es genügt, wenn es neben den anstrengenden Tagen auch schöne gibt. Oder anders gesagt: das Mittelmaß macht’s.

Der Film „Amadeus“ aus dem Jahr 1984 widmet sich dem Wirken des musikalischen Extremgenies Wolfgang Amadeus Mozart — und zwar aus der Sicht des Wiener Hofkomponisten Antonio Salieri, der ein Kollege Mozarts war. Alles beginnt mit dem alten Antonio Salieri, der sich am Ende seines Lebens in einem Spital von einem Priester die Beichte abnehmen lässt. Dabei spielt er dem Priester am Cembalo einige seiner damals berühmtesten Stücke als Hofkomponist vor. Dem Priester, von dem Geklimper schrecklich gelangweilt, kommt kein einziges davon bekannt vor. Da kündigt Salieri ein letztes Stück an. Er spielt am Cembalo die bekannte Melodie von Mozarts „Kleine Nachtmusik“ (…) – ohne den Namen Mozart zu erwähnen. Auf einmal wird der müde Priester munter. Diese Melodie kennt er und er sagt, ich wusste gar nicht, dass das von Ihnen ist. Darauf Saliere: „Ich war das auch nicht.” Lange Pause. „Das war Mozart.”

Am Ende des Filmes wird Salieri dann von einem Pfleger abgeholt zum Essen. Beim Hinausgehen legt er dem Priester die Hand auf die Schulter und sagt zu ihm: „Ich werde für euch sprechen, Pater.” Der verdutzte Priester weiß nicht wie ihm geschieht. Und wieder Salieri: „Ich spreche für alle Mittelmäßigen auf der Welt. Ich bin deren Triumphator. Ich bin ihr heiliger Schutzpatron.” Und schließlich auf dem Gang: „Ihr Mittelmäßigen überall: ich vergebe euch.”

Soweit der Film, der als Spielfilm sich natürlich nicht immer an die historischen Fakten hält. War Salieri wirklich im negativen Sinne mittelmäßig? Zugegeben: Sein Name ist heute unbekannt. Ganz im Gegenteil zu Wolfgang Amadeus Mozart. Aber Salieri, geboren wenige Jahre vor Mozart, erfreute sich bis zu seinem 70. Lebensjahr bester Gesundheit. Ein kleines Wunder für die damaligen Verhältnisse. Salieri hatte eine bedeutende Position als kaiserlicher Kammerkomponist und im Gegensatz zu Mozart eine gut bezahlte und feste Stelle. Er feierte in Mailand, Venedig, Rom und Neapel große Erfolge. Mozart konnte es sich zu seinen Lebzeiten wohl nicht einmal vorstellen, dass es ihm zu Ehren einmal Mozart-Festivals auf der ganzen Welt geben würde. Dagegen begleitete Salieri noch im Ruhestand zahlreiche Ehrenämter, wodurch er sich bleibende Verdienste für die Musik in Wien erwarb.

Bei seiner Beerdigung wurde ein von ihm dafür selbst komponiertes Requiem uraufgeführt. Wo Mozart beerdigt ist, weiß heute niemand. Antonio Salieri ruht in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.v So golden kann die vermeintliche Mittelmäßigkeit sein. Oder anders gesagt: wenn man nicht übertreibt oder sein Glück zu erzwingen sucht.

Der Prediger Salomo sagt uns: Du kannst dein Glück nicht erzwingen. Nimm alles aus Gottes Hand. Versuch es zumindest. Du wirst sehen, darunter ist viel Glück. Und das gilt auch und gerade für die Ehe. Nichts erzwingen. Keine schönsten Tage erwarten. Weniger Mozart und mehr Salieri. Und das Glück kommt von allein. Und die gemeinsamen Tage werden schön.


i Luther übersetzt im Buch des Predigers Salomo das hebräische הֶ בֶ ל, das am besten mit „flüchtig“ wiederzugeben ist, stets mit „eitel“. Aber bei „eitel“ wird heute eher an Gefallsucht o.ä. gedacht, weshalb ich mit „flüchtig“ übersetze.
ii Luther übersetzt das hebräische Wort רָ שָָׁ֔ ע mit „Gottloser“. Aber das Wort meint „Frevler“ oder „Gauner“. Denn ein Gottloser muss nicht unbedingt ein Gauner sein.
iii Hier steht das hebräische Wort רָ שָָׁ֔ ע für „Gauner“ in Verbform, daher „gaunerhaft“.
iv Vgl. SILKE NIEMEYER, GPM 79 (2024), S. 144.
https://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Salieri [aufgerufen am 09.02.2025]


DEKAN DR. MATTHIAS BÜTTNER, ANSBACH

Nächste Veranstaltungen

"Hoffnungsstark" ist das Motto der diesjährigen Ökumenische Alltagsexerzitien
6 Termine 11.3.-15.04.2025
Pfarrerin Möller und Gemeindereferentin i.R. Jonen-Burkard
Ansbach: Kath. Pfarrzentrum St. Ludwig
Ansbach St. Gumbertus / St. Johannis
Filmabend: zur Passion : Filmvorführung mit Einführung und Nachgespräch Anita Nölp
Lehrberg: Gemeindehaus Lehrberg
Lehrberg
"Hoffnungsstark" ist das Motto der diesjährigen Ökumenische Alltagsexerzitien
6 Termine 11.3.-15.04.2025
Pfarrerin Möller und Gemeindereferentin i.R. Jonen-Burkard
Ansbach: Kath. Pfarrzentrum St. Ludwig
Ansbach St. Gumbertus / St. Johannis
LebensArt : Selbstverteidigung & Selbstbehauptung mit WenDo Janine Bayer, Erika Hertlein-Grab, Michaela Schumann
Herrieden: Evang. Gemeindehaus - Großer Saal
Herrieden Christuskirche